Kohlscheider Geschichte(n) aus der Zeit von vor 80 Jahren
Teil 3 Amerikaner in Kohlscheid und Rückkehr der Evakuierten
Einleitung
Der dritte Bericht erinnert an die Auswirkungen der Nazi Diktatur und die Zeit des Umbruchs.
Lesen Sie, was Menschen aus Kohlscheid festgehalten haben oder erinnern.
Diese Fakten und Geschichten sollen dazu beitragen, diese Zeit nicht zu vergessen.
Wir erinnern an diese Zeit, weil wir danach über 70 Jahre Frieden hatten und jetzt?
Haben Sie die Zeit selbst mitgemacht? Haben Sie über diese Zeit von ihren Eltern gehört?? Bitte melden Sie sich über Kontakte bei uns, wir sollten ihre Erinnerungen festhalten. Danke
Bei diesem Bericht handelt es sich nicht um eine wissenschaftliche Arbeit -
absolute Priorität hat die Erinnerung als Appell, nicht zu vergessen.
Texte und Fotos kopieren oder anderweitig zu verwenden, ist nur nach Absprache gestattet.
2024 - 80 Jahre vorher
Im Herbst 1944, also vor 80 Jahren war in Kohlscheid nichts mehr in Ordnung. Viele Kohlscheider waren in fremden Orten und bei fremden Leuten.
Die Amerikaner bewirkten die große Veränderung. Die Evakuierten kamen zurück und fanden ein anderes Kohlscheid.
Viele redeten damals und heute noch von Kriegsende, einige von Zusammenbruch oder Besatzung
andere wiederum von Befreiung
.
Ich möchte den Weg über die Geschichtsfreunde-Kohlscheid.de nutzen, an die Zeit der Evakuierung und Amerikaner zu erinnern.
In einigen Veröffentlichungen wird bereits über diese Zeit berichtet. Als Ergänzung sprach ich mit vielen Zeitzeugen.
Diese Zeitzeugen und ich, wir möchten gemeinsam, dass das Nazikapitel nicht vergessen wird.
Die Annäherung an die Amerikaner
Gemeindedirektor Spix: Gemeinde Kohlscheid 1945 – 1949: Besetzung durch die Amerikaner
Inzwischen war Kohlscheid am 16. Oktober 1944 von amerikanischen Truppen besetzt worden. Die Verwaltung wurde zu dieser Zeit unter Leitung des Herrn Bürgermeisters Ludwig Gasten mit dem dienstverpflichteten Personal aufrechterhalten. Nach eingetretenem Waffenstillstand kamen die Reste des evakuierten Aktenmaterials nach Kohlscheid zurück.
Antonia Jünger: Wir sind lahmgelegt, wir sind das Ziel
Montag, 2. Okt .1944
Den ganzen Tag starkes Artillerie-Feuer. Toni Muhlen, Hasenwald, wurde durch Granatsplitter beim Wäsche aufhängen lebensgefährlich verletzt. Wegen der großen Gefahr konnten weder Priester noch Arzt kommen.
Wir saßen heute wieder lange Zeit im Gewölbe – 10 Aufklärer flogen über Hasenwald und lösten sichtbar über dem Landwirt Mainz Markierungsbomben – es entstanden große Rauchsäulen, die über 20 Minuten brannten. Die Grube Laurweg erhielt Treffer, auch Kohlscheid, Rumpen und Berensberg.
Josef Nießen brachte mir Grüße vom Franz und von Maria aus Matzerath. Morgen wird er wieder dorthin fahren. Wir gaben ihm die Mitteilung von der hoffnungslosen Erkrankung Käthchens mit.
Geuchter Hof ist geräumt, er hat 3 Artillerie-Treffer – Brandkanister über Ürsfeld – das Benzin sammelte sich an der Oberfläche des Weihers – augenblicklich war er ein Flammen-Meer – das Gebäude blieb vom Brand verschont.
Als die Batterie von Küppershof nach Ürsfeld verlegt wurde, gab es sofort feindlichen Beschuss.
Rektor Paul Büttgenbach: Amerikaner in Kohlscheid
Am 10. Oktober 1944 kamen von Bleyerheide (Holland) her die Amerikaner und besetzten das Zollamt in Pannesheide. Im Auftrag der Amerikaner musste ich als Parlamentär um die Übergabe Kohlscheids bitten.
Von meiner Wohnung aus ging ich, begleitet von 2 Soldaten, bewaffnet mit Maschinengewehrpistolen, bis zur Umgehungsstraße. Dort hielten sie sich hinter der Hecke in Deckung. Ich ging weiter über die Höckerlinie zu der naheliegenden Villa des EBV, in der eine Infanterie Abteilung mit einem Unteroffizier untergebracht war. Mein Auftrag lautete:
Alle deutschen Soldaten sollen innerhalb einer Viertelstunde ohne Waffen mit erhobenen Händen mit mir kommen. Sie kommen in amerikanische Gefangenschaft. Sie werden gut behandelt. Der Unteroffizier übernahm den Auftrag und überbrachte ihn dem Kommandanten von Kohlscheid, der sich in dem Bunker an der Eisenbahnbrücke der Roermonder Straße befand. Dieser wiederum überbrachte ihn seinem Vorgesetzten, einem 22jährigen SS Major, der im Kasino des EBV sein Quartier hatte. Der lehnte ab mit dem Bescheid: "Wir kämpfen bis zur letzten Patrone!"
Daraufhin verließen die Amerikaner den Ortsteil Pannesheide und zogen sich nach Holland zurück. Gegen Abend begann dann der Beschuss auf Kohlscheid, der bis zum Morgen anhielt. Wir verlebten in den Kellern eine furchtbare Nacht.
Morgens gegen 9 Uhr kam der deutsche Unteroffizier mit weißem Tuch, ging zu den Amerikanern und erbat von den Amerikanern eine Beschusspause von einer Stunde, um die Toten zu begraben und die Verwundeten zum Krankenhaus zu bringen. Sie wurde von den Amerikanern für die Zeit von 11 bis 12 Uhr gewährt.
Punkt 12 Uhr ging das Schießen wieder los. Am selben Abend gegen 20 Uhr ging dann der Kommandant mit seinen Soldaten in die Gefangenschaft. Sie bestiegen am Zollamt in Pannesheide amerikanische Lastwagen.
Am 16.Oktober 44 wurde Kohlscheid von den Amerikanern besetzt.
Aus der Schulchronik der Schule KohIscheid Mitte entnommen
An den ersten Tagen der Besatzung gab es kein Licht. Wasser musste aus den vorhandenen Brunnen herbeigeholt werden. Zivilisten durften zweimal am Tage eine Stunde das Haus verlassen um alles herbeizuschaffen. Dann kam für die Männer sechs Wochen Ausgehverbot, in dieser Zeit mussten Frauen und Kinder alles besorgen.
Brot gab es entweder in der Mühle in Pannesheide oder in der Bäckerei der Hillko in der Weststraße. Kartoffel und Obst hatten viele noch rechtzeitig eingekellert. Fleisch gab es ab und zu von dem zerschossenen Vieh. Es musste unter Lebensgefahr herangeschafft werden. Mitte Dezember wurde das totale Ausgehverbot für Männer aufgehoben. Es gab 2 Stunden Ausgang.
Antonia Jünger: Der Kampf tobt, wir sind mittendrin; Gott sei uns gnädig!
Donnerstag, 12. Oktober 1944
Was wir im Garten beobachten, lässt sich mit Worten kaum beschreiben: Über Aachen und Würselen ist der Himmel weithin blutrot – beide Städte brennen! Den schauerlichen Eindruck werde ich nicht vergessen. Den ganzen Nachmittag wurde Aachen von zahllosen Flugzeugen bombardiert. Die Erde zitterte von Bomben, dazu ein leichter Wind, der den Brand weiter trägt. – Gott sei uns gnädig! Die einzige deutsche Funkstelle hier im Ort ist unterbrochen.
Freitag 13. Oktober 1944
Aachen brennt heute noch – den ganzen Tag Flieger über Aachen – die Luft zittert vom Einschlag der Bomben. Annchen kann nicht zur Wohnung kommen. Die Amerikaner sind bis zur Elisabeth-Kirche und zur Emmichstraße (?) vorgedrungen – 150 m vom Dom entfernt! – Abends beobachten wir Leuchtmunition.
Samstag 14. Oktober 1944
Wieder geht ein schwerer Tag zur Neige! Wir sehen über Aachen dichte Rauchwolken liegen, es ist furchtbar, was über uns hereingebrochen ist. Nichts kann geerntet werden. Es war eine selten reiche Obsternte, aber alles verdirbt.
Bei Conzen waren 20 fremde Leute im Kartoffel-Acker, nur für das Nötigste zum Essen.
Sonntag, 15.Oktober 1944
Der Kampf tobt heute mit erhöhter Macht: Flieger, Artillerie, Panzer, die halbe Stadt ist von den Amerikanern besetzt. In den beiden letzten Nächten rückte deutsche Verstärkung ein. Überall sind die Brücken gesprengt. Wir sind von allem abgeschnitten. Man kann nicht vom Gehöft, betritt man die Straße, dann fliegen die Granaten, wir werden scharf beobachtet!
Montag, 16. Oktober 1944
Die Nacht war sehr unruhig. Vormittags kamen fünf Damen aus Aachen: Frau Baurat Stasser, Frau Wilh. Keutmann, 2 Damen Renardy und Frl. Barth. Sie mussten den Bunker Försterstraße innerhalb einer halben Stunde räumen. Eine furchtbare Nacht hatten die armen Menschen im Bunker mitgemacht. Gegen 11 Uhr abends hieß es, dass Parterre und 1.Etage sofort von der Bevölkerung zu räumen seien, da Militär einzieht. In der Nacht zogen Soldaten ein und aus, sodass es unmöglich war, eine Sekunde zu schlafen. Gegen 6 Uhr morgens kam der Polizei-Hauptmann mit Gefolge und befahl, dass der Bunker innerhalb einer Stunde von der Zivilbevölkerung geräumt werden müsse. Der Bunkerwart lehnte sich dagegen auf und sagte: "Wir machen uns alle zurecht und warten die Dinge einmal ab".
Ein paar Kilometer weg von Hasenwald in klinkheide:
Kriegstagebuch Giesen: Situationsbericht vom 16.10.1944
Morgens ist noch starker Beschuß. Dauernd hört man aber Gewehrschüsse ganz in der Nähe. Wir können uns nicht erklären, woher sie kommen. Gegen 7.30 Uhr verlassen wir den Keller, um schnell etwas zu essen. Mein Vater und Herr Dickler gehen mit einem Eimer Wasser und der Milchkanne zum Bauernhof Klinkenberg hinter dem Altersheim. Sie nehmen immer einen Eimer Wasser mit, weil wir doch schon seit Wochen kein Leitungswasser mehr haben. Einmal haben wir einen Eimer Rindfleisch für das Wasser bekommen. Wir leben nicht schlecht. Jeden Morgen gibt es für uns etwas Milch auf dem Bauernhof.
Am Altersheim sehen die beiden einige Gestalten umherhuschen. Ein Mann klettert zum Fenster hinein. Zu ihrem größten Erstaunen stellen die beiden Männer nun fest, daß es die Amerikaner sind. Was nun? Sie gehen ganz harmlos weiter. Wären sie zurückgelaufen, hätten die Soldaten vielleicht geschossen. Sie grüßen aber und lassen sie ohne Aufenthalt durchgehen.
Als Vater und Herr Dickler bei Klinkenberg ankommen, ist das ganze Haus voll Amerikaner. Alle Zimmer, Ställe, Speicher und die sonstigen Schlupfwinkel werden nach deutschem Militär durchsucht. So wird ein Haus nach dem anderen eingenommen. Währenddessen sitzen wir zu Hause am Frühstückstisch, ohne eine Ahnung von dem Vorgang zu haben.
Ein Junge aus der Nachbarschaft kommt atemlos hereingelaufen. Meine Mutter erschrickt, sie glaubt, meinem Vater wäre etwas passiert. Da ruft er aber: „Die Amerikaner sind hinter mir!" Er möchte sich bei uns verstecken, weil er militärpflichtig ist. Meine Mutter will ihn im Stall verstecken. Er läuft trotzdem zum Altersheim zurück, dort halten sich nämlich seine Eltern auf. Weil er so aufgeregt umher läuft, werden die Amerikaner auf ihn aufmerksam. Sie wollen seine Papiere sehen. Er hat sein Soldbuch in der Tasche, nun muss er selbstverständlich mitgehen.
Nachdem der Junge gegangen ist, sehen wir die Amerikaner schon vom Flurfenster aus, durch die Anlagen des Altersheim huschen. Wir gehen alle in den Hausflur. Nun hören wir, wie sie bei den Nachbarn die Türen eintreten. Fast die ganze Nachbarschaft ist bei Klinkenberg im Keller. Jetzt kommen auch die ersten Amerikaner zu uns. Sie durchsuchen alle Zimmer. Mindestens 30 Mann sind bei uns. Wir haben die große Uhr wegen des Beschusses ins Bett gelegt und mit dem Plumeau zugedeckt. Ein Soldat glaubt, es liege einer im Bett, er legt sein Gewehr an und will abziehen. Da hebt Mutter das Plumeau auf und zeigt ihm die Uhr. Stall und Speicher, alles wird durchsucht. Sie geben uns Bonbons und Kaugummi. Meine Mutter gibt ihnen Kaffee und Äpfel. Sie sind durchnässt bis über die Knie. Am frühen Morgen sind sie von Bardenberg durch die Wurm gekommen. Die Brücke haben die Deutschen schon eine Woche früher gesprengt. Einer setzt sich auf die Herdplatte; als er aufsteht, ist sein Hosenboden versengt.
Die Amerikaner haben eine sehr gute Verpflegung: Keks in Einmachhaut, Fleischpastete in Konserven, Butter und Käse in Dosen, schneeweißes Weißbrot, Schokolade, Bonbons, Zigaretten und ihren beliebten Kaugummi, den sie stundenlang kauen können. Verschiedene Gläser Eingemachtes haben sie aufgerissen. Vier Flaschen Sekt und verschiedene Flaschen Wein haben sie im Keller entwendet. Mit den nassen Anzügen haben sie auf den weiß gedeckten Betten gesessen, dabei geht eine Glasplatte in die Brüche, die zumSchutz vor Splittern im Bett liegt.
Um 11.20 Uhr kommen mein Vater und Herr Dickler mit der Milch zurück. Sie mussten bis dahin im Keller bleiben. Die Amerikaner sind im allgemeinen sehr freundlich. Langsam ziehen sie jetzt ab, das Gewehr immer schussbereit.
In der Bardenberger Straße haben sich noch vier Soldaten in einem Haus verteidigt. Die Amerikaner schicken ein paar Panzersalven hinein, da ist auch das erledigt. Auch am Bahndamm setzen sich noch sieben Soldaten zur Wehr. Vier von ihnen sterben den Heldentod, die anderen drei werden schwer verwundet.
Sonst ist Kohlscheid ziemlich reibungslos eingenommen worden. Ein Mann aus der Nachbarschaft hat am frühen Morgen beobachtet, dass um 6.30 Uhr sechs deutsche Soldaten im Bereich des Friedhofes 12 Amerikaner gefangen nehmen. Einige Stunden später kommen die Amerikaner mit den Deutschen.
Mehrere Male kommen noch Amerikaner und durchsuchen das Haus.
Antonia Jünger: starker Beschuss obwohl Amerikaner in Hasenwald
Dienstag, 17. Oktober 1944 Heute Nachmittag, 4 Uhr, kam die erste amerikanische Einquartierung: fünf Soldaten! Beim Anblick der Flüchtlinge sagte ein Soldat: “Kaffeeklatsch“. Wir konnten uns einigermaßen durch Zeichen verständigen. Einer der Soldaten hatte sogar deutsches Inflationsgeld bei sich. Es ist eine vornehme Nation. Sie tragen einen Doppelhelm: Der Äußere dient als Wasch-Schüssel! Sie blieben 2 Tage und 2 Nächte hier. Sie hatten sehr guten Proviant, Weißbrot usw.
Bei ihrer Ankunft fragten sie, ob wir Hitler liebten, wir antworteten „nein“! Der junge Mann meinte, in 2 Monaten sei Deutschland kaputt!
Das ganze Haus, Ställe und Scheune wurden mit dem Revolver in der Hand durchgegangen und geprüft, ob noch ein deutscher Soldat versteckt sei. Es war nicht der Fall!
Mittwoch 18. Oktober 1944 Amerikanische Panzer bombardierten den Bunker am Mienedrich, (wir verbrachten bald den ganzen Tag im Keller) - ein furchtbares Trommelfeuer, sodass wir jeden Augenblick meinten, das Gehöft wäre mitgenommen worden. Von Horbach her weht auf allen Bunkern die weiße Fahne. Eben rücken auf der Chaussée neue amerikanische Infanterie und Panzer heran. – Heftiges Gefecht in der Soers - es faucht und kracht – selten unheimlicher Tag!
Beim Gutspächter Mainz fanden die Amerikaner 12 deutsche Soldaten im Keller, die entgegen der Versicherung, es wäre niemand im Hause, sich dort verborgen hielten. Alle wurden abgeführt, es heißt, die Leute würden erschossen. Am Abend ist Mainz noch nicht vom Verhör zurück.
Großes Hauptquartier ist bei Bindels in Rumpen.
Dienstag, 31. Oktober1944 Aufregende Tage – wir können kaum aus dem Haus – durch den Beschuss kommen immer noch viele Leute ums Leben.
Freitag, 3. November 1944 Heftige Flieger-Angriffe - auf die Grube Laurweg fielen Bomben – es ist ein unruhiger Tag - von allen Seiten Beschuss - nur Frauen dürfen die Straße passieren – ein Herr, der aus seinem Haus zum Nachbarn ging, wurde zum Kommandanten bestellt und musste 50 Mark Strafe bezahlen.
In Kohlscheid werden noch drei Zivilisten gesucht, daher die Verschärfung.
Im November konnte das erste Obst geerntet werden.
Samstag, 4. November 1944 Sehr viele Fllugzeuge – 62 flogen direkt über den Hof – die Erschütterungen dauern an – ein amerikanisches Flugzeug zertrümmert in der Soers – Teile desselben flogen bis Holland.
In den letzten Tagen sind auch viele Personen durch Panzer-Kanonen zu Tode gekommen – viele Häuser sind zerstört.
Montag, 6. November 1944 Starker Beschuss – nachts ein rätselhaftes Geschoss: V I ? - in der Mühle von Leuchter werden die elektrischen Anlagen repariert – in Kohlscheid sind täglich 1.000 Brote zu wenig.
Dienstag, 7. November 1944 In Würselen tobt der Kampf – die Bevölkerung leidet schwer – es sind noch immer deutsche Soldaten in Würselen.
Freitag, 10. November 1944 Tag und Nacht zittern Türen und Fenster, so stark ist der Beschuss – abends gab es in Rumpen einen großen Schreck, ein Geschoss drang durchs Treppenfenster.
Samstag, 11. November 1944 Gegen 11 Uhr große Einflüge – amerikanische Bomber belegten Würselen mit einem Bombenteppich – die Zivilisten sind vorher nach Kohlscheid gebracht worden.
Mittwoch, 15. November 1944 Die ganze Nacht wird in der Wolfsfurth gekämpft – wir hören bis zum Morgen Kanonendonner und Maschinengewehre – am Morgen sagte Gustav, die Amerikaner hätten die Besten der Besatzung von Würselen und Weiden in der Wolfsfurth zusammen getrieben und gefangen. Den ganzen Tag herrschte Ruhe, wir atmeten wieder erleichtert auf.
Himmler soll das Amt von Hitler angenommen haben! – Am Samstag sind in Bardenberg noch fünf, durch Beschuss verletzte Personen, eingeliefert worden.
Montag, 20. November 1944 Heute Morgen ging ich nach Kohlscheid, um von Bürgermeister Gasten eine Beglaubigung des Viehbestandes von Oberforstbach zu holen. Dort sah ich bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal schwarze Kolonialtruppen.
Peter Imperatori, Kohlscheid, wurde zu 20 Jahren Zwangsarbeit verurteilt.
Horbach, Richterich, Kohlscheid und Herzogenrath sind frei von Beschuss.
Der erste Munitionszug fährt bis Richterich.
Winfried Kerres: zwei backende Amerikaner
Auf dem Hof Vest, Pannesheide, waren zwei schwarze Amerikaner aus Wyoming einquartiert. Sie haben im großen Backofen, unten im Rübenkeller, Brot gebacken. Die Mehlmischung aus Weizen und Mais wurde von den Amerikanern angeliefert.
Es deutet alles darauf hin, dass sie viel mehr als für ihren Bedarf buken, so dass für die Pannesheider auch Brote abfielen.
Weiß jemand hierzu oder zur Versorgungslage insgesamt in Pannesheide etwas? Bitte unter
Kontakte melden.
Inge Matti: weiterhin Hunger und Angst und die Amerikaner sind da
Von unserm Fenster im ersten Stock aus beobachtete ich die einrückenden amerikanischen Infanteristen, wie sie mit Maschinenpistolen im Anschlag um die Hausecken schlichen und sich vor der geöffneten Kirchentüre duckten und vorsichtig ins Kircheninnere hinein spähten. Sie stießen auf keinerlei Gegenwehr. Unser Ort fiel kampflos in ihre Hände.
Die Bombardements und das Artilleriefeuer hörten auf, das war schon eine Erleichterung. Aber dann bauten die Amerikaner ein paar Kilometer von uns entfernt eine Artilleriestellung auf, und das Getöse begann wieder. Die Kanone richtete sich auf das gegenüber liegende Würselen, wo noch heftig gekämpft wurde.
Wir fürchteten, dass die deutschen Truppen zurückkehren könnten und dann unseren Heinz aufstöbern würden. Manche Orte hatten nämlich öfters die Front gewechselt. Und so stellte sich Heinz schweren Herzens den Amerikanern und ließ sich gefangen nehmen. Wohin sie ihn brachten, das wussten wir lange nicht.
Wir hatten in der Folgezeit genug zu tun mit dem Aufräumen der Trümmer und der provisorischen Reparatur der Schäden. Das Haus musste dicht sein, bevor der Winter einzog.
Die Amerikaner verhängten für alle Männer eine Ausgangssperre. Vorher hatten wir uns registrieren lassen müssen. Besorgungen durften nur wir Frauen machen. Aber es gab zunächst nichts zu kaufen, wir hungerten sehr. Die letzten schimmeligen Brotreste wanderten in unsere leeren Mägen. Und uns quälte das ungewisse Schicksal von unserem Heinz und Tante Fini. Ob sie wohl noch lebte? Seit ihrem Weggang hatten wir nichts mehr von ihr gehört. Es ging schon lange keine Post mehr. Wir wussten auch nicht, dass ihr Erkelenzer die Flucht ergriffen hattet, dass Onkel Heinz noch dort war, weil er kriegsdienstverpflichtet war. Wir waren von allem abgeschnitten.
Immerhin hatten wir dreimal Sachen von zu Hause holen können, und wir waren auch sehr freundlich bei uns bekannten Menschen aufgenommen worden. Aber mein Vater fehlte uns sehr. Der Briefverkehr hörte im Laufe des Monats März 1945 auf. Vorher erfuhren wir aber noch von Tante Fini, dass die anderen Kohlscheider Verwandten höchstwahrscheinlich zu Hause geblieben waren. Aber ob sie noch lebten, das wusste niemand.
Irgendwann im Juli 45 konnten wir Flüchtlinge wieder heimkehren. Bis dahin wussten wir nicht, was wir zu Hause antreffen würden, auch für Tante Fini war das gewiss sehr spannend. Lebten sie noch? Stand das Haus noch? Im Gegensatz zu anderen hatten wir noch ein Dach über dem Kopf, und mein Vater hatte die schwere Zeit in der Heimat heil überstanden. Als dann die Züge wieder fuhren, machten Mutter und ich uns auf den Weg zu den Verwandten, unangemeldet.
Gott sei Dank, das Haus stand noch. Wir läuteten nicht an der Haustüre, sondern schlichen uns durchs Hoftörchen ins Anwesen. Vorsichtig öffneten wir die Doppeltüre zu Tante Käthes Küche und traten ein. Vor dem Herd stand die weißhaarige Tante Fini und rührte vor sich hin sinnend in einem Kochtopf. Beim Türgeräusch hob sie den Kopf und starrte uns ungläubig an. Tante Käthe ließ sich auf den nächsten Stuhl fallen und war genau so fassungslos. Wir lagen uns bald alle in den Annen. Und dann ging das Erzählen los. Im Nu waren alle vom Köhlerhof in Tante Käthes Küche versammelt, bis auf Onkel Josefs Heinz, der noch in Frankreich in Gefangenschaft war, Onkel Josef und Onkel Peter, die bereits wieder arbeiteten. Unsere Schilderungen gingen wild durcheinander. Jeder wollte schnell seine Erlebnisse des letzten Jahres los werden. Für alle war das vergangene Jahr voller Angst und Schrecken, Heimweh und Sorgen gewesen. Und letztere waren noch immer nicht vorüber.
Die Lebensmittelzuteilungen waren Hungerrationen. Das Hamstern war gefährlich wegen der Razzien, und auf dem „ Schwarzen Markt“ verkauften viele ihr letztes Hemd für Butter oder Speck, andere erwarben für ihr letztes Erspartes Zigaretten zu Horrorpreisen. Die Reichsmark war wieder mal nichts mehr wert. Glücklich wer etwas zum Tauschen besaß! Bevor wir wieder heimkehrten, machten wir uns noch ein Bild von den Schäden in Haus und Hof. Die Scheune war praktisch abbruchreif. Hausdach und Fenster waren auch sehr reparaturbedürftig.Vor dem Dunkelwerden mussten wir wieder zu Hause sein, das heißt vor der Sperrstunde, die uns längere Zeit in unserer Bewegung einschränkte.
Klaus Huppertz: Besatzungszeit
Mein Vater war Betriebsleiter bei Möbel Ernst in der Südstraße. Wir waren nicht evakuiert.
Als die Amerikaner kamen, standen Deutsche am Straßenrand, die mit weißen Betttüchern winkten. Die Amerikaner gingen an der Straßenseite sehr geduckt. Sie hatten große Angst, aus dem Hinterhalt beschossen zu werden.
Die Amerikaner nahmen sogar aufs Klo das Gewehr mit.
Bei Ernst wurden ca. 80 amerikanische Soldaten einquartiert.
Zu dieser Zeit ging es uns meistens ganz gut. Da hab ich eine braune Butter kennengelernt. Jahrelang habe ich geforscht, was das war. 1952 habe ich sie dann in Holland unter dem Namen Pindakaas, also Erdnussbutter, gefunden. Die Amerikaner hatten von Libbys eine glänzende Masse, das war Kaffee, Milch und Zucker. Mit heißem Wasser aufgelöst, war das dann fertiger Kaffee. Von dem Zeug hab ich wohl zu viel getrunken, seitdem trinke ich keinen Kaffe mehr.
Die Soldaten waren zu Kindern freundlich. Ich erinnere ein Schauspiel: Es gab auf dem Gelände Helme vom Luftschutz. Die Amerikaner hatten die Helme gesprengt und das hatte sie durchlöchert, also unbrauchbar gemacht. Auf den Helmen war ein Hakenkreuz.
Morgens traten die Soldaten zur Parade an und der leitende Offizier nahm die Parade ab. Ich habe das mit einem Helm mit Hakenkreuz nachgemacht. Eine Holzlatte mit Kordel war das Gewehr. Mit dieser Ausrüstung bin ich zwischen die Reihen der Soldaten gegangen. Mein Vater erzählte nachher, er hätte bald einen Herzschlag bekommen. Die Amerikaner haben gelacht.
Die Amerikaner hatten Bonbons, die waren sehr klebrig. Wir Kinder bekamen die auch. Josef Leisten von gegenüber aus der Metzgerei war der älteste von uns Kindern. Der sagte: „Wir müssen die Klümpchen in dem Schrank verstecken, nachher kommt dr Russ, da es dat fut.“
Im Winter 1944 gab es viel Schnee. Das Fabrikgelände war ziemlich groß. Eines Tages standen mitten auf dem Hof im Schnee zwei schwarze Klaviere. Die hatten die Amis irgendwo rausgeholt. Seit der Zeit interessiere ich mich für Klaviere und Klavierspielen. Auf den beiden Klavieren habe ich nicht gespielt.
Jede Nacht kamen aus Richtung Belgien 400, 500 Flugzeuge. Das Geräusch ist mir bis heute hängengeblieben. (Ehefrau Ruth: „Klaus imitiert manchmal das Geräusch“) Manchmal schmissen sie auch hier was ab. Wenn Angriffe kamen, dann gingen wir in den Keller. Mein Vater hatte eine Kellerdecke mit Holzbohlen verstärkt. Wir wohnten vorne an der Straße im ersten Stock, es musste schnell gehen, um abends in den Keller zu kommen. Im Dezember 1944 wurde während des Fliegeralarms im Keller meine Schwester Ursula geboren. Der amerikanische Militärarzt war medizinischer Beistand.
Es gab auch bei Ernst Einschüsse und dann wurde mit der Spritze gelöscht. Die Fabrik hatte ein unterirdisches Bassin für Löschwasser. Es gab drei Pumpen. Die Feuerwehr hat sich nachher die Pumpen geliehen. Das lange gelagerte Löschwasser haben wir genommen, um zu kochen. Es gab kein Leitungswasser.
Die Kirche St. Katharina hatte einen Treffer bekommen und war nicht mehr zugängig. In der Maschinenhalle der Fabrik Ernst wurde zwischen den Maschinen ein provisorischer Altar aufgebaut und von Pfarrer Backes Gottesdienst gelesen. Von wann bis wann ist unklar, aber nicht für lange Zeit.
Mein Vater war Buchhalter, kein Handwerker, dennoch hat er mit einem Herrn Jakobs aus Aachen, Särge für die Verstorbenen gezimmert.
Pfarrer Andreas Backes: erste Tuchfühlung und Erfahrungen
Bei dem ersten Zusammentreffen mit amerikanischen Soldaten in unserem Keller fällt angenehm die Zwanglosigkeit auf, in der diese mit ihren Vorgesetzten verkehren. Als solche sonst nicht erkennbar, zeigt nur der Strich auf dem hinteren Helmrand die Charge an. Im Unterschied zur deutschen Armee gilt der Mensch alles und das Motorrad nichts. Gerät kann draufgehen, der Mensch wird geschont. Selbst Waffen werden gefahren. Und auch der Soldat selbst, soweit es das Kampfgeschehen nur immer gestattet. Ein Draufgängertum, wie bei unserer Armee üblich gewesen, kennen sie nicht. Sie lassen eben die Maschinen arbeiten; sie können bei dem ungeheueren Materialbestand leichter ersetzt werden als Menschen. Eine ganz andere Art des Soldaten tritt uns im Amerikaner entgegen.
Ebenso angenehm berührt die schlichte Selbstverständlichkeit, mit der sie sich zu ihrer Konfession bekennen. Was wäre bei unserer Wehrmacht wohl geschehen, wenn einer seinen Waffenrock aufgeknöpft und auf den Rosenkranz hingewiesen hätte, den er am Halse trägt? Um es vorwegzunehmen, die Haltung der katholischen Amerikaner bei ihren Gottesdiensten ist vorbildlich.
Auf die Frage, warum sie nicht von Horbach, wo sie doch schon seit dem 17. September liegen, in das unbesetzte Kohlscheid vorgestoßen sind, antwortete der Offizier, die Ölleitung wäre nicht schnell genug nachgekommen. Sie unternehmen nichts, wenn es nicht absolut sicher ist. Sie wollen zu Ostern in Berlin sein, und das werden sie nach Meinung des Offiziers auch schaffen.
Staunen erregen die Art und die gute Qualität ihrer Verpflegung. Ein Vergleich mit der unsrigen zeigt, daß wir am Ende unserer Kraft sind. Auch die Bekleidung, von den Waffen ganz zu schweigen, ist erstklassig und praktisch. Bei der geringsten Beschädigung gibt es neues Zeug.
Gern greifen unsere Leute nach den abgelegten Sachen. Die zur Verpflegung gehörende Schokolade und Klümpchen bekommen meist die Kinder. Und als später Küchen eingerichtet werden, teilen die Soldaten gerne von ihrem Überfluß aus. Sie dürfen es eigentlich nicht. Alle Reste sollen in Tonnen geworfen und verbrannt werden, wie sie es auch zu Hause gewohnt sind.
Die Bewohner mit Einquartierung haben es nicht schlecht, ein gutes Verhältnis bahnt sich unter Siegern und Besiegten an. Zum Teil glauben die Soldaten, wir wären keine Deutschen, weil die Leute so freundlich sind. Dieses barbarische Volk beginnt für die Soldaten erst hinter dem Rhein.
Bratkartoffeln scheinen für alle Soldaten der Welt das Lieblingsgericht zu sein, reicht man dazu noch frisches Gemüse, dann geben sie freiwillig ihre Kost her.
November 1944 Kohlscheid war ein Munitionslager
"Ein gewisses unheimliches Gefühl wurde man nicht los, wenn man sich in den Straßen an den Bergen von Munition jeglichen Kalibers vorbei schlängeln mußte. Nur ein Treffer — und Kohlscheid wäre vom Erdboden verschwunden gewesen."
Foto aus Eurode Broschüre: Kerkrade langs Oorlogsporen
Dieses Bild zeigt ein Munitionslager in Bleyerheide. Die strahlenden Kinder zeigen den Unterschied. Der amerikanische Soldat mit dem schief sitzenden Helm und die strahlenden Kinder spiegeln die Gelassenheit und Leichtigkeit der Situation wider.
Bleyerheide wurde befreit.
Kohlscheid wurde besetzt.
Wechsel der Besatzer
Thea Hollands: Materialien für den Ardennenkrieg
Etwa Mitte Januar 1945 erging ein Befehl an die Zivilbevölkerung, dass alle Fahrräder, Radiogeräte und alle weißen Betttücher abgeliefert werden mussten. Der Befehl führte dazu dass die Bevölkerung teilweise die Betttücher einfärbte und Radios und Fahrräder versteckte. Pfarrer Backes erschien bei der Kommandantur und protestierte heftig gegen dieses Vorgehen. Da er sagte, dies seien Nazimethoden — das verstanden die Offiziere auch ohne Dolmetscher — entstand eine sehr gespannte Atmosphäre, die den ganzen Tag anhielt. Ich habe mir manche Kritik anhören müssen. Später stellte sich heraus, dass man nicht alle, sondern etliche Betttücher zu Tarnzwecken in der Eifel sowie einige Fahrräder und Radios benötigte. Aber ehe dieser Befehl durch Rückfragen und Information präzisiert war, ging die Aktion schon ihrem Ende zu. Nachher war es schwierig, die zu viel abgelieferten Gegenstände, die im Bürgermeisteramt lagerten, wieder an ihre Eigentümer zurückzugeben.
Pfarrer Andreas Backes: Belgier und Holländer
Montag, den 18. Dezember 1944, die Straßen sind leer von Amerikanern, sie sind, ohne ein Wort laut werden zu lassen, abgerückt. Die Stille wird unheimlich, Gerüchte gehen von Mund zu Mund. Eine rege Fliegertätigkeit hat eingesetzt. Scheinwerfer flammen auf, die Flak böllert heftig; wie die Beleuchtung einer Straße stehen die Leuchtkugeln in der dunklen Nacht. So hell ist es, dass ich in meinem Bett lesen kann. Das Grollen der Geschütze mischt sich mit dem Geknatter der Maschinengewehre, das wir deutlich hören können. Alles deutet auf eine große Sache hin. Der Weg nach Bardenberg ist gesperrt. Maschinengewehrnester werden im Ort angelegt. Nebel hüllt alles in seine grauen Schleier.
Mittwoch, den 20. Dezember 1944, Holländer und Belgier haben inzwischen die Sicherheit unseres Ortes in ihre Hand genommen. Sie verhängen eine verschärfte Ausgangssperre. Besonders die Belgier sind scharf, ihre Kugeln sitzen lose im Lauf. Unaufhörlich rollen Geschütze und Panzer auf der Roermonder Straße in das Kampfgebiet. Wenn diese Masse an Material rechtzeitig eintrifft, werden die Deutschen Arbeit bekommen. Einige Nazis, die sehr klein geworden waren, beginnen wieder zu reden und geben der Hoffnung Ausdruck, den Deutschen möge der Schlag gelingen. Sie können es immer noch nicht glauben, dass wir den Krieg endgültig verloren haben. Ein Erfolg ist nur kurzfristig, verlängert den Krieg und wird uns, die Zurückgebliebenen, an den Bäumen hängen sehen, wenn die Deutschen Kohlscheid wieder besetzen.
Pfarrer Andreas Backes: Unnötig viele Menschenleben im letzten Versuch
Die Rundstedt-Offensive hat sich festgefahren. Bastogne hält. All die Opfer sind umsonst gebracht. Auch die Amerikaner haben schwere Verluste gehabt. Die Truppe sollte nach Aachen, will aber wieder in Kohlscheid untergebracht werden bei den alten Quartiersleuten. Hier wird ein strenges Gericht gehalten mit ihren Nachfolgern, wenn sie sich gegen die Leute zu hart gezeigt haben. Mancher Belgier hat seine Tracht Prügel einstecken müssen.
Siegfried Gundlach: mit den Amis im Hürtgenwald
Nach dem Krieg bin ich ja mit den Amis nach Hürtgenwald gefahren. Die Amis sprachen Deutsch und ein paar Burschen und ich, wir sind mitgefahren damit die jemanden hatten, mit dem sie Deutsch sprechen konnten. So wurde uns gesagt, aber als wir da waren, mussten wir mithelfen beim Minenräumen.
Ich kannte die Minen und habe denen gesagt, wie sie damit am besten hantieren und auf was sie aufpassen müssen und so weiter. Zur Hitlerzeit habe ich ja mehrere Lehrgänge mitgemacht. Dabei wurde das alles gezeigt. Es gab die Topfminen, die so hoch sprangen und dann in 1 m Höhe explodierten, die wurden mit Drähten gesichert untereinander. Wenn einer in den Drähten hängen blieb, dann sprangen die hoch und explodierten. Es gab die Holzminen, das waren einfache „Zigarettenschachteln“. Wenn man da dran kam, klappte der innen befindliche Stift und wenn der Deckel da dran kam, dann ging die Mine hoch und man hatte den Fuß ab. Und die schweren Minen für die Panzer, die waren ja immer anders, aber wir kannten die alle. Wir waren 14 Jahre alt, damals bei der Hitlerjugend, als wir mit einer 50er Panzerfaust schießen durften. Eine Hunderter war für uns zu schwer.
Josef Fleu: Besatzung
Die Amerikaner waren bei uns vor der Haustür, ca. 100 m entfernt. Sie wohnten in der ehemaligen Munitionsfabrik in der nachher u.a. die Werkstatt und Garage von Coca-Cola war. Da gab es auch eine Schreinerei Beißel, die über Jahre hinweg dort tätig war, bis zum Umzug in die Raiffeisenstraße (Modellschreinerei).
Von der Unterkunft führte ein Weg über eine Wiese vom Bauer Mertens (dem heutigen ALDI-Gelände) zu einem Kartoffellager an der damaligen Rembrandtstraße (heutige Raiffeisenstraße). Hier wurden die Soldaten verköstigt. Die Halle steht heute noch, diente nach dem Zweiten Weltkrieg unterschiedlichen Zwecken. Der dazugehörende Turm wurde durch eine Verpuffung bei Schweißarbeiten teilweise zerstört.
Ab und an standen meine Schwester und ich am Wegrand und bettelten: have you chocolate?
Da wo jetzt Aldi steht, standen zwei Flaks, ca. 20 – 30 m von unserer Haustüre entfernt, die zwei bis drei Meter eingegraben waren. Getarnt waren sie durch Netze. Sobald die Netze weggenommen wurden, ging es sofort in den Keller.
Geschossen wurde in Richtung Würselen. Sehr umkämpft war die Höhe um Haaren.
Oft ging das kleine Fensterchen unten im Erdgeschoss in der Türe durch den Rückstoß kaputt.
Meine Mutter hat hier und da die Wäsche für einige der Amerikaner gemacht.
Wie lange die Amerikaner da waren, ist mir nicht bekannt.
Die Amerikaner haben sich bei uns hier in unserer Umgebung einwandfrei verhalten.
40 Jahre danach schreibt die AVZ am 25.10.1984
17.10.1944 Der amerikanische Beschuß hat in Kohlscheid aufgehört, nur noch deutsche Granaten richten Schäden an. Amerikanische Soldaten nehmen in Kohlscheid Quartier.
Die Bevölkerung bestaunt die Verpflegung und die Ausrüstung des amerikanischen Militärs. Die Soldaten haben zwar Befehl erhalten, mit der Bevölkerung keine Kontakte aufzunehmen, außerdem betrachten sie sich nicht als Befreier, geben aber doch ihren Quartiersleuten von ihren reichen Lebensmitteln ab. Das Verhältnis zur Bevölkerung ist nicht feindlich.
Erste Schäden an den Häusern werden repariert. Wehrpflichtige deutsche Männer melden sich auf dem Bürgermeisteramt. Auch Polizisten und Parteigenossen müssen erscheinen. Ein deutscher Kommunist ist bei den Verhören zugegen. Mehr als 50 Personen werden in einer nahe dem Rathaus gelegenen Garage inhaftiert. Etliche von ihnen gehen in Gefangenschaft. Ludwig Gasten wird Bürgermeister, nachdem Pfarrer Backes abgelehnt hatte.
Vergessen wir nicht, die Verursacher und damit die Schuldigen waren die Nazis.
Nur einige wenige hielten dagegen. Sie waren für die Amerikaner glaubwürdige Personen, die Passierscheine bekamen., z.B. die Geistlichen Backes, Zohren und die Kapläne.
Mehrere Kohlscheider mussten zum täglichen Rapport erscheinen: den Tagesbericht für den Bergbau besorgte Direktor Aschke, stellvertretend für ihn auch manchmal Fräulein Hedwig Velten; für die Zivil Verwaltung erschienen die Herren Ludwig Gasten und Ferdinand Klotz, über die Energieversorgung berichtete Herr Jakob Pilgram; die Herren Christian Donbaek, Hillko, und Meertens erschienen zur Lagebesprechung wegen der Lebensmittelversorgung.
Vergessen wir nicht, dass viele mit dem Leben bezahlt haben, weil sie dagegen hielten.
Rücktransport und Wiedereinfinden in den Alltag
Cornel Sistemich: mit Pferd und Quietschewagen zurück zum Nichts
Rückreise
Zusammen mit meinem ältesten Bruder hat mein Vater sondiert, lebt eigentlich unsere Heimat noch? Die beiden sind nach Kohlscheid und haben sich umgesehen. Als sie zurückkamen, war klar, wir brechen hier auf. Aufgebrochen sind wir mit einem Kaltblüter und einem einachsigen Karren. Wer das besorgt hatte, habe ich als Kind nicht mitbekommen. Ich erinnere nur, das Radlager musste immer bepinkelt werden, damit das Quietschen aufhörte. Schmierfett hatten wir nicht. Weiter ging es mit der Eisenbahn. Aber die Strecken waren immer wieder unterbrochen. An Einzelheiten auf welche Weise und wie lange wir unterwegs waren, habe ich keine Erinnerung. Im August 1945 sind wir nach Kohlscheid zurückgekommen.
Zu Hause - Böses Erwachen
Unsere Wohnung in Holland war nicht mehr zu erreichen. Es war alles weg. Das einzige was meine Patentante auf Bitten meines Vaters gerettet hatte, war eine Handbohrmaschine mit einer besonderen Übersetzung. Ich habe diese Bohrmaschine über die Grenze geschmuggelt. Auf der Voccartstraat bin ich unterm Zaun durch. Zu dieser waghalsigen Aktion sagte meine Tante Lisa: „ich mach e Käzje vör dr helije Antonius a“ „Mengste Tante, dat hölpt?“ „Dat hölpt ömmer“ (Ich mache ein Kerzchen vor dem hl. Antonius an. Meinst du Tante das hilft? Das hilft immer!)Die Aktion war sehr gefährlich. Es gab ein Schilderhäuschen oben auf Holtz und eins in Pannesheide. Von hier aus beobachteten die Grenzer die Grenzstraße. Wenn die zielten, dann hattest du Blei. Ich habe bei dieser Aktion Glück gehabt. Leider habe ich die besondere Bohrmaschine nachher nicht mehr gefunden.
Die gesamte Einrichtung, alles war weg. Wir hatten nichts mehr. Es gab das Lastenausgleichsgesetz. Das besagte: - Diejenigen, die nichts verloren hatten, die mussten sich an den Lasten derjenigen, die Schaden genommen hatten, beteiligen. So ähnlich wie der DDR Solidaritätsbeitrag. Meine Eltern haben für den ganzen Verlust 1000 DM bekommen. Lt. meinem Flüchtlingsausweis bin ich „Flüchtling C“. Lange Zeit wurden wir mit diesem Status nicht als normale Flüchtlinge anerkannt. Mein Vater hat mit einem Herrn Stein aus Düsseldorf zusammengearbeitet, um das auch von staatlicher Seite aus zu ändern.
Es musste neu anfangen
Meine Mutter nähte aus altem blauem Militärstoff Schildmützen. Diese Mützen waren Tauschmaterial für Lebensmittel bei den Bauern beim Hamstern. Für ein bis drei Mützen gab es ein paar Eier. Damit hat sie für unsere Versorgung in dieser Zeit der Rückkehr beigetragen.
Später dann arbeitete sie als Herrenhemd-Näherin in Heimarbeit für eine Firma (Herr Lauber) in Herzogenrath in der Kleikstraße. Sie arbeitete oft bis in die Nacht hinein. Für ein Hemd (Material holen, Nähen, Bügeln, Hinbringen) bekam sie 2.50 DM. Wenn die anderen Fußball spielten, dann musste ich mit einem alten Damenrad die Hemden nach Herzogenrath zum Herrn Lauber bringen.Angefangen hat meine Mutter mit einer geliehenen Nähmaschine mit Fußantrieb. Schnell gab es den Plan, das erarbeitete Geld in eine elektrische Maschine zu investieren. Damit war die Arbeit für sie leichter.
Nachher nähte sie auf eigene Rechnung.
Meine alte Freundin A: In Kohlscheid war ja vorher schon alles vorbei.
Mein Onkel war mittlerweile auch bei uns. Meine Mutter hatte ihm ein Fahrrad organisiert. Damit ist der nach Kohlscheid gefahren um zu gucken, ob alles in Ordnung ist. Er ist dann wieder zurück und bei dem Bauern geblieben. Wir sind Montag in Ronshausen abgefahren und waren am Sonntag darauf in Kohlscheid. Am 1. Juli sind wir nach Haus gekommen.
Nachfrage EH: Was hattet ihr vorgefunden? A: Wir hatten noch alles, da war eine Schwägerin von meiner Mutter, die waren Holländer, die haben in unserer Wohnung gewohnt und aufgepasst. Aber es ist auch geklaut worden. Der Krumbachs Hubert, der hatte meiner Mutter den Tipp gegeben, mal zur Frau S. zu gehen. Mit den S. waren wir nur nachbarschaftlich Freund, die wohnten gegenüber. „Da müssen sie mal hingehen, die hat ihre Kristallvase geklaut.“ Und dann ist meine Mutter zur Frau S. gegangen. Sie sah sofort das gute Stück. „Das ist ja unsere Vase!“ "Och, Frau Sch. das hab ich vergessen, euch zurück zu geben."
Paul Pfeiffer: Dramatische Irrfahrt
Mein Vater hatte mehrere Geschwister, unter anderem einen selbstständigen Sattlermeister in Jauer, Schlesien. Die gesamten Verwandten entschieden sich, in Jauer zu bleiben. Meine Mutter hat sich überreden lassen, mit nach Jauer zu fahren. So sind wir alle dort gelandet. Jauer ist ein schönes Städtchen.
Vor Jauer gibt es einen kleinen Ort, der heißt Lignitz. In Lignitz gab es die Zugverbindung nach Breslau und Berlin. Meine Mutter plante direkt nach Berlin zu fahren und von Berlin aus nach Köln. Die Verwandten wollten nicht mit nach Berlin und Köln, sie entschieden anders und meine Mutter blieb.
Mein Vater hatte noch eine Schwester, sie war mit ihrer Familie auch nach Jauer gekommen. Sie wohnte im Riesengebirge in Oberschlesien. Eines Tages kam mein Onkel Fritz, der auch mein Pate ist, mit der Botschaft: „wir müssen weg. Ich habe schon einen LKW organisiert, wir müssen uns allerdings auf Mehlsäcke setzen. Wir fahren ins Riesengebirge“.
Dann sind wir ins Riesengebirge nach Hirschberg gefahren. Wir wurden alle im Stadttheater untergebracht. Im Theater waren alle Sitze entfernt worden, so dass Platz für die Leute war. Obwohl wir in Hirschberg Wohnungen haben konnten, sagte meine Mutter, hier bleibe ich nicht.
Hirschberg liegt am Rande vom Riesengebirge und bis nach Breslau sind es 80 km. In Hirschberg hatten viele Breslauer ihre Ferienwohnungen bzw. Häuser. Die Stadt sagte, dass die Häuser leer stünden und wir könnten dort einziehen. Die schlesischen Verwandten sind hingegangen, Wohnungen zu suchen. Meine Mutter wollte aber nicht bleiben, sie hatte gesagt, ich gehe mal in die Stadt.
In der Stadt, das hatten wir schon Tage vorher gemerkt, da kamen sehr viele Soldaten in Grüppchen. Mal zu viert, mal zu fünft oder auch mal zehn. Meine Mutter hatte die Idee, dass die Soldaten uns weiter westlich mitnehmen, die hatten auch LKWs. So fragte sie einen Leutnant. Die Antwort: “liebe Frau ich würde sie ja gerne mitnehmen, aber wir werden unterwegs von der Gendarmerie, von der Militärpolizei kontrolliert und wenn die sie im LKW finden, die setzen Sie unterwegs auf die Straße“. Es war Winter, es war Februar. „Da sitzen sie mit ihren Kindern mitten im Schnee und da werden sie erfrieren. Gehen Sie lieber zum Bahnhof und sehen Sie zu, dass Sie mit dem nächsten Zug wegkommen, so schnell wie möglich“.
Meine Mutter berichtete alles den Verwandten und sie ging mit uns Kinder zum Bahnhof. Sie wollte den nächsten Zug zum Westen nehmen. Der nächste Zug, der von Breslau kam, fuhr nach Dresden. Morgens um 4 Uhr war Abfahrt.
Die Russen haben nicht das ganze Land, also ganz Schlesien eingenommen, sondern überall an den wichtigen Stellen Panzerspitzen gehabt. Unterwegs gab es eine kleine Stadt, ca. 10 oder 15.000 Einwohner, die hieß Lauban mit einem großen Bahnhof. Unser Zug ist ohne Halt nach Dresden durchgefahren, obwohl viele Leute dort standen. Unser Zug hat keine Menschen mehr mitgenommen, der Zug war übervoll.
Während unserer Fahrt ist Dresden bombardiert worden. Es war die Nacht zum 14. Februar 1945. In Hirschberg um 4 Uhr nachts abgefahren und wir waren wir gegen 9 Uhr in Dresden. Wir waren also erst morgens nach der schlimmen Nacht in Dresden. Der Bahnhof Dresden war abgeschlossen, es kam niemand in die Stadt hinein. Der Zug kam also auch nicht sofort nach Dresden rein. Nach einiger Zeit fuhr unser Zug dann doch in den Bahnhof ein und da war ein richtiger Hochbetrieb. Wir waren die ganze Zeit auf dem Bahnsteig und von dem Brand haben wir nichts gesehen aber man konnte es riechen. Ich war zehn Jahre alt und meine Schwester war siebeneinhalb Jahre. Wir waren froh, dass wir auf dem Bahnsteig bleiben konnten.
Wir sind natürlich nicht in Dresden geblieben. Es kam ein Zug aus der Tschechei, der nach Berlin fuhr. Wir sind umgestiegen. Vernünftige Leute verabredeten mit meiner Mutter uns Kinder durch die Fenster hinein zu heben, wenn der Zug kommt. Es war ja ein D-Zug, der nur vorne und hinten Türen hatte. Meine Mutter konnte so leichter mit dem Gepäck durch die Türe. Im Zug hat es bestimmt Dreiviertelstunde gedauert, ehe unsere Mutter bei uns Kinder war. Im Zug waren verwundete Soldaten, da waren die ganzen fremden Leute und meine Mutter musste uns trösten.
Als der Zug fuhr, war es eigentlich sehr ruhig. Aber unterwegs kamen Panzer. Im Spreegebiet, es war ein bisschen hügelig, kam der Zug auf einmal nicht weiter, weil er den Berg nicht hoch kam. Der Zug hat sich viele Kilometer zurücklaufen lassen. Nach neuem „Anlauf“ ist der Zug endlich den Berg hoch gekommen.Wir waren gegen 22 Uhr in Dresden abgefahren und morgens gegen 10 Uhr in Berlin im Anhalter Bahnhof gewesen. Die Züge in Richtung Westen fuhren ab Hauptbahnhof. Wir mussten also mit Gepäck von dem einen Bahnhof zum anderen Bahnhof kommen.
Wir haben einen Zug bekommen, der aber nicht bis Köln fuhr, sondern nur bis Opladen (damals noch selbstständig, heute in Leverkusen eingemeindet). Da standen wir jetzt, Mutter mit Gepäck und Kinder in Opladen. Eine Frau mit einem Fahrrad hat uns geholfen. Wir sind jedenfalls dann wieder nach Odenthal gekommen.
Es war schon dramatisch mitten im Winter.
In Odenthal sind wir dann geblieben, bis sich das alles ein bisschen beruhigt hatte. Als in Köln die ersten Behelfsbrücken gebaut waren, hieß es, man könne sich wieder bewegen. Wir bekamen einen provisorischen Ausweis. Mein Onkel hatte ein Fahrradgeschäft in Köln. In einer Baracke in Odenthal hatte er einige Fahrräder stehen. Meine Mutter ließ keine Ruhe, sie wollte nach Hause, sie wollte nachsehen, was los ist. Sie bekam ein Fahrrad und ist alleine von Odenthal zuerst zu dieser Behelfsbrücke in Deutz gefahren. Dort wurde sie entlaust und die Papiere wurden kontrolliert.
Über Köln ist sie mit dem Fahrrad zuerst bis Jülich und dann von Jülich bis nach Aachen gefahren. Meine Mutter war die erste aus unserer Familie, die zurückgekommen ist. In Kohlscheid hatte sie keinen großen Bekanntenkreis. So kam meine Mutter auf die Idee, den Milchbauer Birken anzusprechen, der vorne an in der Mühlenstraße wohnte. Sie dachte, der kommt überall und weiß viel. Der machte ihr Mut und sagte, kommt nur alle zurück, wir werden sehen, wo ihr unterkommen werdet. Als wir alle hier waren, haben wir bei verschiedenen Leuten geschlafen. Ich wohnte bei Leuten, die wir aus der Weststraße kannten, in der Wirtschaft Behrens im Haus. Meine Schwester war irgendwo anders untergebracht.
Kommunist spürt den Vater auf
Meine Mutter sprach auch einen bekannten Kommunisten hier in Kohlscheid an, ob er Informationen besorgen könne, wo mein Vater irgendwo in Gefangenschaft wäre. Der hat daraufhin viel getan. Irgendwann haben wir erfahren, dass mein Vater in England, in Leicester in Kriegsgefangenschaft sei. Die Engländer waren mit den Deutschen sehr human. Sie mussten zwar arbeiten aber wurden gut behandelt. Die Soldaten hatten alle am Wochenende Kontakt mit Privatleuten. Mein Vater hatte auch solche Leute kennengelernt. Sie war Lehrerin, der Mann war bei irgendeiner Behörde. Und so wurde er immer eingeladen. Sie diskutierten über Politik. Mein Vater konnte zwar kein Englisch aber irgendwie haben sie gekauderwelscht. Mein Vater ist erst 1947 aus Gefangenschaft entlassen worden.
Wir waren im Sommer 45 in Kohlscheid. Es gab in Kohlscheid eine Sozialarbeiterin, die hat sich sehr stark um eine Wohnung für uns bemüht. Wir sind in die Holzer Straße in ein Haus eingewiesen worden. Auf der ersten Etage haben wir zwei Zimmer bekommen. Dadurch bin ich dann später auch in Klinkheide zur Schule gegangen.
Herbert Topa: Beziehungen sind alles
Wir kamen aus Danzig über Benzingerode nach Kohlscheid. Mein Vater kam aus der Gegend von Danzig, hatte aber vor dem Krieg in Kohlscheid gearbeitet und meine Mutter geheiratet. Während des Krieges war er als Soldat in Dresden. Die Familie kam durch die Evakuierung nach Danzig. Als die Vertreibung aus Schlesien im Raum stand, wurde die Rückkehr nach Kohlscheid organisiert.
Wir hatten Karten für das Schiff: „Gustloff“ für den 30.1.1945.
Eine Schwester meines Vaters hatte eine Liebschaft mit einem Engländer, einem Offizier. Am Abend vorher hatte der die Tante gewarnt: „Deine Familie fährt nicht mit! Das Schiff geht unter“. Unsere Familie hat er dann vom Schiff runter geholt.
(Wie bekannt, wurde das Schiff von einem Sowjet-Kommandanten als Kriegsschiff eingeschätzt und mit Torpedos beschossen. Das Schiff mit über 10.000 Menschen sank. Die "Wilhelm Gustloff" war ursprünglich ein "Kraft durch Freude"-Vergnügungsdampfer der Deutschen Arbeitsfront.)
Die Tante hat den Offizier nachher geheiratet und lebt jetzt in England. Die haben uns auch hier schon mal besucht. Mein Bruder hat sie schon einmal in England besucht. Mein Vater ist in Danzig geblieben, wir sind mit dem nächsten Schiff rübergebracht worden. Wir landeten in Kiel. Meine Mutter mit mir ist dann irgendwie nach Wernigerode gekommen. Dort haben sich mehrere Verwandte getroffen. Zusammen haben wir bei einem Bauern gelebt, bis mein Vater nachkam. Er ist zu Fuß dahin gekommen.Dann hat sich die Familie zerstreut. Einige sind dann nach Bonn. Meine Eltern sind mit mir dann den ganzen Weg irgendwie nach Kohlscheid. Sein Schwager Klein hat meinen Vater dann hier beim EBV untergebracht.
Wohnung und Arbeit finden, Verpflegung
Margret Ernst: in Kohlscheid war Wohnungsnot
Der Krieg war zu Ende – es hieß: „Jeder kann nach Hause. Ihr könnt alle wieder in eure Wohnungen“.
Meine Mutter hat sich sofort erkundigt und einen Zug bekommen aber nur mit mir. Oma und Opa aus Holland sind in Meißenberg geblieben. Sie hatten in Deutschland keine Wohnung.
Die Abstellkammer wurde besser hergerichtet. Beide haben dann bei den von Horsten gearbeitet. Da hatten sie wenigstens eine Unterkunft. Wir versprachen, sie zurück zu holen wenn eine Wohnung frei sei. Aber in Kohlscheid war Wohnungsnot. Zurück sind wir mit einem Personenzug gekommen.
Es hat lange gedauert, bis wir eine Wohnung Ecke Ebert/Kaiserstraße bekamen. Oben im Dachgeschoß . Zwei kleine Zimmerchen.
Mittlerweile war der Opa in Meißenberg leider verstorben. Er hatte die Trennung von der Familie nicht verkraftet. Ich als sein Schäfchen fehlte ihm. Er hatte Heimweh, hatte aber kein Geld, wir hatten auch nichts und so ist er vor Gram verstorben. Er wurde in Winsen an der Aller beerdigt. Sein Grab haben wir von einem Gärtner pflegen lassen. Die Oma ist noch eine Zeitlang bei von Horsten geblieben. Wir haben sie aber bedrängt, zu uns zu kommen.
Wohnung weg, Möbel weg, Gardinen zurück
Als wir in die Annastraße zurückkamen, wohnten in der Wohnung Verwandte der Eigentümer. (Sohn oder Tochter)
Es gelang diesen Leuten die Wohnung und unsere Möbel zu behalten. Die Mutter hatte keine Kauf Unterlagen von den Möbeln.
Sie hatte noch einen Versuch unternommen, die Möbel zu bekommen. Als sie in der Annastraße die Wäscheleine mit ihren Gardinen sah, hat sie ihre Gardinen abgefaltet. Natürlich gab es Krach und Gezeter, aber die Mutter hat zumindest die Gardinen mitgenommen.
Wir mussten bei der Oma unterkommen. Oma und Opa waren mittlerweile bei Göbbels (Wirtin war Marie Göbbels) in der Sportzentral Südstraße 53, erste Etage, Fenster zur Südstraße hin über der Wirtschaft. Sie hatten zwei Zimmer. Mutter und ich hatten in einem Zimmer ein Bett für uns.
Im hinteren Teil hatte Marie mit ihrer Tochter ihre Zimmer. Ihr alter Vater, Josef Engels lag auch in einem Zimmer als Pflegefall.
Ein Zimmer war für die Fußball Schiedsrichter. Die zogen sich da um.
Die Toilette mit einem Handwaschbecken war auf dem Flur. Meine Großeltern mussten dafür sorgen, dass immer ein Eimer mit Wasser auf dem Klo stand. Das Wasser war zum Spülen der Toilette. Nachher wurde ein Ziehbecken eingebaut. Ein Kasten mit Wasser oben.
Meine Eltern sind aus der Wohnung der Großeltern ausgezogen und in eine Wohnung gegenüber der Wirtschaft Classen, im Haus Senster. Daneben war ein kleines Geschäft, daneben Tischelbäcker. Die Wohnung waren 3 Zimmer, Küche Wohn- und Schlafzimmer und ein langer Flur. Auf dem Flur stand ein Klappbett. Da konnte ich am Wochenende schlafen. Über die Woche bin ich bei der Oma geblieben. Wenn ich in der Wohnung Senster angemeldet worden wäre, dann hätte ich zur sechsten Klasse nach Kämpchen in die Schule gehen müssen. Ich wollte in Kohlscheid bleiben. Nach dem 8. Schuljahr wurde ich umgemeldet und kam auf das Klappbett. Wenn das Bett nach unten geklappt war, kam keiner mehr durch den Flur. Bevor das Bett nach oben geklappt wurde, musste mit Gurten die Decken und die Matratze fest gemacht werden. Da haben wir gewohnt von 1954 bis 1962, bis meine Mutter in der Dürerstraße
gebaut hat.
hat.
Anmerkung EH: nicht überall wurde etwas geklaut
Herbert Topa: wir hatten eine Wohnung aber kein Wasser
Wir wohnten zuerst in Pannesheide. Als ich im zweiten Schuljahr war, haben wir auf Kämpchen auf dem Kulleplei eine Wohnung vom EBV bekommen . Dort haben wir ca. 7 Jahre lang gewohnt. Wir hatten kein fließendes Wasser, draußen war eine Pumpe.
Als in der Klosterstraße eine Wohnung frei war, zogen wir um. Da wohnten wir bis zu meiner Heirat.
Wir waren in Pannesheide und auch hier weirterhin bettelarm.
Josef Nellessen: Ich habe zwei Jahre verloren
1944 noch vor der Evakuierung habe ich mich bei der Post in Kohlscheid um eine Lehrstelle beworben. In den unruhigen Zeiten nahm die Post keine Lehrlinge an. Die Post bestätigte den Eingang meiner Bewerbung und empfahl doch eine andere Lehrstelle anzunehmen. 1946 meldete sich die Post mit einer Lehrstelle. Antreten konnte ich diese Stelle aber erst 1947. Anders in Aachen, dort wurden 1946 schon Lehrlinge eingestellt, beim kleineren Amt Kohlscheid erst 1947.
Ich wurde aufgefordert eine Aufnahmeprüfung zu machen. Angefangen habe ich mit 16 Jahren, praktisch als erster Lehrling in Kohlscheid bei der Post. Dadurch habe ich zwei Berufsjahre verloren.
es folgt Teil 4
1945 Anpacken und Aufbauen
Reaktionen auf Teil 2
Reaktion von Frau Annelise Kosel
"Da ich 1943 in Roland geboren bin und ich an die schlimme Zeit keine Erinnerung mehr habe, ist es für mich hoch spannend darüber zu lesen. Danke für die Aufarbeitung dieser Zeit.
Meine Mutter erzählte mir von meiner Oma. Braunhemden kamen in einem Festzug von Scherberg hoch mit viel Tam Tam und laut. Meine Oma mit der Kittelschürze bekleidet, sei hinausgestürzt und habe vor einem Fahnenträger ausgespuckt. Wenige Stunden später wurde die Oma abgeholt. Erst am nächsten Tag kam sie gegen Abend wieder nach Hause.
Wie gesagt, ich habe selbst keine Erinnerungen an das Geschehen der Zeit damals. Ich weiß wohl, dass wir in der Zeit danach an Armut gelitten haben.
LG Anneliese"
Reaktion von Frau Ursula Dautzenberg
Hallo Herr Hallmann, vielen Dank für die Zusendung des zweiten Teils. Mein Vater, Siegfried Gundlach, bestätigt die Richtigkeit seiner aufgeführten Artikel.
Es ist immer wieder spannend zu lesen, was so alles in Kohlscheid vor sich ging!
Nie wieder dürfen solche Entscheider an die Macht!!!
Vielen Dank und viel Erfolg weiterhin
Ursula Dautzenberg
Quellen
Erich Hallmann (EH) Feinrecherche und Verfasser der Berichte
Mit Erscheinen der Berichte werden die jeweiligen Qellen hier erweitert
Antonia Jünger, junge Frau aus einer landwirtschaftlichen Familie in Hasenwald nähere persönliche Daten konnten noch nicht ermittelt werden.
Josef Kaymer, Alter und Beruf sind unbekannt, wohnte in der Mühlenstraße; die Niederschrift liegt in der Sammlung Archiv St. Katharina
meine alte Freundin A aus Klinkheide, Jahrg. 1934
meine alte Freundin K aus Klinkheide, Jahrg. 19
Josef Nellessen, Jahrg. 1931, in Aachen geboren, in Kohlscheid zur Schule gegangen, in Kohlscheid bekannt als zuverlässiger Postbeamter
Siegfried Gundlach, Jahrg. 1931, Vater Bergmann, wohnte bis nach dem Krieg in der Karlstraße
Inge Matti, schrieb die Familiengeschichten der Köhlerhofkinder; gemeint ist der Hof Niesters auf dem Markt in Kohlscheid
Franz Josef Eichenbaum, Jahrg. 1938, in Kohlscheid aufgewachsen, viele Jahre selbständiger Metzgermeister in Aachen
Trude Robrock, Jahrg. 1932, langjähriges Mitglied im HV Kohlscheid
Margret Ernst, Jahrg. 1944, echte Kohlscheiderin, stammt aus einer Familie aus der Südstraße
Karl Lanckohr Jahrg. 1939 gelernter Landwirt, langjähriger Leiter der Volksbank Kohlscheid
Cornel Sistemich, Jahrg. 1937 ehem. Leiter der Verwaltung der Stadt Herzogenrath und langjähriger Leiter des HV Kohlscheid
Herbert Topa, Jahrg. 1940, in Pannesheide u Kohlscheid aufgewachsen, viele Jahre selbstständiger Friseurmeister in Kohlscheid
Josef Fleu, Jahrg. 1940, langjähriger Geamtschullehrer, langähriges Mitglied der Führungsrige der Kohlscheider Puppenspiele
Klaus Huppertz, Jahrg. 1939, Sohn des Betriebsleiters der Möbelfabrik Ernst
Paul Pfeiffer, Jahrg. 1934,+ 2024
Wilfried Bücken Jahrg. 1944
Käthe Kaldenbach Jahrg 1953
Josef Martinelli, Jahrg. 1936
Leo Leisten, Jahrg. 1939
Dank
an die vielen, die mir ganze Geschichten oder aber auch nur Kleinigkeiten erzählt haben. Einige sind zeischenzeitlich schon gestorben.
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Einige Geschehnisse von früher zur WeihnachtszeitDas Titelfoto zeigt die alte Krippe mit
Bauern- und Gutshöfe prägen in großem Maße unseren Ort. Die sehr alten,
Blücherplatz und Ehrenmal zwei Kohlscheider Plätze und besondere HäuserVorwort Der Blücherplatz und die
Hallo Erich vielen Dank für deine Recherche und Veröffentlichung
Habe wieder sehr interessante und spannende Geschichten von unsere Heimat
heute gelesen.verschiedene konnte ich aus erzählen von Eltern und verwandte
Nachvollziehen
Nochmals vielen Dank dafür.
Gruß Hans-josef Rick
Hans-Josef,
vielen Dank für die Rückmeldung.
Ja, ich wollte über echte Erlebnisse berichten und nicht nur nackte Fakten aufzählen.
Danke und beste Grüße
Erich