dies ist ein brötchen

Bockreiter in Pannesheide



„Bockreiter“ terrorisierten 40 Jahre lang das Herzogenrather Land

Der Räuberorden mit den teuflischen Riten

Albert Diederen dokumentierte  Anfang der 70er Jahre in einigen Zeitungsartikeln die Geschichten und Aktivitäten der Bockreiter. Zwei Geschichten greifen wir hier noch einmal auf. Sie sind eine gute Einführung in dieses Kapitel unserer Geschichte.
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Informationen zum Pannesheider Pannhaus
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Mit Feld- und Kirchendiebstählen fing alles an

Herzogenrath: „In der vergangenen Nacht sind Diebe in die Kirche von Merkstein eingedrungen. Sie haben wohl versucht, die Tür zum Turm, wo die Kelche aufbewahrt werden, zu öffnen, doch ohne Erfolg.“ So lautet die säuberliche Eintragung von Pastor Henricus vom 3. November 1735 im Tagebuch der Pfarre Afden. Für die Heimatforscher stellt dieser Vermerk einen wichtigen ..

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Bockreiter plünderten die Brauerei in  Pannesheide

Gefesselte Frauen schwammen im Bier
Herzogenrath   Wenige hundert Meter abseits der Straße Aachen - Roermond liegt in Pannesheide, dicht an der Grenze zu den Niederlanden, ein altes Gebäude. Im Volksmund das „Pannes“ genannt. Dort wurde früher eine Brauerei betrieben. Im Jahre 1741 gehörte es einem Mathias Kockelkorn, der neben dem Gewerbe des Bierbr .....

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In vielen Berichten werden die Bockreiter ausschließlich als marodierende Räuberbande dargestellt.
Die Geschichte der Bockreiter hat jedoch zwei Seiten.
Die beschriebenen grausamen Raubzüge entsprechen hauptsächlich der zweiten Bockreiterperiode von 1762 bis 1776. In der ersten Periode von 1735 bis 1745 war die Vorgehensweise humaner.
Die Mitglieder der Bockreiter kamen aus der damals bitterarmen Bevölkerung. Zum Teil waren es ehemalige Söldner des 30jährigen Krieges, die gegen die Unterdrückung und Ausbeutung durch die Obrigkeit rebellierten. Sie wurden durch großes Elend angetrieben. Die Beute wurde unter den Bandenmitgliedern, aber auch an Arme verteilt. Deshalb hatten sie den Ruf, eine Robin Hood Bande zu sein. Ein Mythos, der heute noch besteht.

Informationen zum Pannesheider Pannhaus:

Foto und Text Heimatverein Kohlscheid;  Text auf Kalenderblatt:
Blick auf das Pannhaus in Pannesheide. Hof und Brauhaus wurden Ende des 16. Jahrhunderts erbaut. Die früher strohgedeckten Fachwerkbauten fielen den Flammen zum Opfer. Die heutigen Grundmauern sind noch aus Bruchstein, während das übrige Bauwerk in Backstein neu  aufgeführt wurde. Ein Schlussstein trägt die Jahreszahl 1710.  Im Oktober 1741 wurde das Pannhaus von den Bockreitern heimgesucht. 

Aussage Dr. Wilhelm Gierlichs: Der Überfall war auf das Pannhaus "aan de Steghel" 

Heimatverein Kohlscheid: Kohlscheider Straßenspiegel, Seite 169:  
An der Ecke Pannesheider Straße und der "Schlack", letztere ist als Verlängerung der Haus-Heyden-Straße anzusprechen, liegt das Pannhaus, ein ehemaliges Brauhaus. Ein Pannhaus auf der Doutzenbergheide, in der Mundart "Pannes" genannt, gab dem Ort Pannesheide den Namen.
Das Alter des Hauses verrät ein Schlussstein mit der Jahreszahl 1741 und dem Zusatz: Bernhard Vaeßen - Maria Meyer. 1741 war das Haus im Besitz des Brauers und Fruchthändlers Matthias Kuckelkorn und wurde von den Bockreitern heimgesucht. Es wird aber auch angenommen, dass bei dem Überfall der Bockreiter ein Brauhaus an der Stegelstraße gemeint sein kann; allerdings spricht die mündliche Überlieferung immer vom Pannes an der Pannesheider Straße. Schon 1825/26 gehört der an der Pannesheider Straße gelegene rechte Gebäudeteil Johann Joseph Horbach aus Bardenberg, der links gelegene und in die "Schlack" hineinreichende Teil dem Albert Pannhausen aus Pannesheide und der hintere, der an der "Schlack" gelegene Teil, Peter Joseph Vaehsen aus Pannesheide. Seit vielen Jahrzehnten ist das Anwesen ohne bäuerliche: Nutzung und dient Wohnzwecken.

Gesamtansicht mit nachtrgl. vorgebauter Garage

Seitenansicht von der Schlack aus gesehen


Mit Feld- und Kirchendiebstählen fing alles an:

Herzogenrath: „In der vergangenen Nacht sind Diebe in die Kirche von Merkstein eingedrungen. Sie haben wohl versucht, die Tür zum Turm, wo die Kelche aufbewahrt werden, zu öffnen, doch ohne Erfolg.“ So lautet die säuberliche Eintragung von Pastor Henricus vom 3. November 1735 im Tagebuch der Pfarre Afden. Für die Heimatforscher stellt dieser Vermerk einen wichtigen Hinweis auf Ereignisse, die damals begannen, das Leben im Grenzraum maßgeblich zu beeinflussen. Im Nachhinein wurde diese Periode mit der Bezeichnung „Bockreiterzeit“ versehen. Es war eine Zeit der totalen Armut und der Entbehrungen für die einfachen Menschen. Land und Leute litten noch immer unter den Folgen des längst beendeten Dreißigjährigen Krieges als der „Spanische Krieg“ von 1700 bis 1713 das wieder verwüstete, was mit Mühe wieder aufgebaut worden war.

Raub und Plünderung

Umherstreunende Banden von Nichtsesshaften und Marodeure zogen raubend und plündernd durch die Gegend, überfielen einzelnstehende Gehöfte und kleine Dörfer und nahmen der hungernden Bevölkerung die letzte Habe. So kam es, dass mancher mittellose Bauer und verarmte Handwerker um das nackte Leben zu retten, selbst zum Dieb wurde. Hinzu kam die Gleichgültigkeit der besitzenden herrschenden Klasse gegenüber der Not der völlig verarmten Bevölkerung, die von der Hand in den Mund lebte. Diese armen Menschen die wirklich nichts besaßen, mussten von morgens fünf Uhr bis abends um 10 Uhr schuften. Die Hauptmahlzeit war eine Schüssel Hafermehl oder Gemüsesuppe, ansonsten gab es nur trockenes Brot und Wasser dazu. Zu bieten hatten sie nur ihre Arbeitskraft und die wurde von den meisten Unternehmern ausgenutzt, oft für ein paar Groschen am Tag.

Zuerst ohne Risiko

Die Wohnungen der Armen waren primitive menschenunwürdige Hütten, feuchte, dumpfe Brutstätten für die verschiedensten Krankheiten wie Schwindsucht, Asthma oder Cholera. Wer davon befallen wurde, war bei der damaligen spärlichen ärztlichen Betreuung ein Todeskandidat. So ist es nicht verwunderlich, dass diese Menschen, die Zeit ihres Lebens auf der Schattenseite ihr Dasein fristeten und keinen Ausweg aus ihrer Lage sahen, schließlich zu Verbrechern wurden. Kleine Gelegenheitsstehler formierten sich bald zu Gruppen, die risikolose Feld- und Kirchendiebstähle begingen. Schließlich schloss man sich zu größeren Banden zusammen, die wohl regional verschieden operierten, aber dennoch einen gewissen inneren Zusammenhalt hatten. Es war im Land von Herzogenrath, im Aachener Reich und im Ländchen zur Heyden (Kohlscheid), wo sich solche Banden bildeten und wo sie ihre Überfälle und Einbrüche verübten, erst zurückhaltend und zögernd, doch dann mit den ersten Erfolgen stets dreister werdend.

Der Name Bockreiter

Bockreiter Statue Nahaufnahme

Fotos: E. Hallmann; Statue in Herzogenrath

Bockreiter Statue Herzogenrath

Die Bandenmitglieder reiten auf Böcken durch die Luft

Erschreckt und verängstigt verfolgte die Bevölkerung das Treiben der Bande, die oft in einer Nacht mehrere Einbrüche beging. Dabei lagen die Orte der Untaten oft so weit voneinander entfernt, dass der naive Mensch der damaligen Zeit zu dem Schluss kam, die Räuberbande könnte nur mit dem Teufel im Bunde stehen und von diesem von Ziegenböcken durch die Luft geschickt werden. So entstand der Name „Bockreiter“, der beim Volk zu einem festen Begriff wurde, eine Benennung, die sich über zwei Jahrhunderte bis zum heutigen Tag erhalten hat. Der Name „Bockreiter“ kommt also aus dem Volksmund und wurde von den Literaten, die über die Räuberbande schrieben, übernommen. Die Bandenmitglieder selbst haben sich nie so bezeichnet, auch in den später gegen sie angestrengten Prozessen ist diese Bezeichnung nie zu finden. Überliefert ist jedoch, dass die Aufnahme in die Bande mit Teufelsriten besiegelt wurde. Fest steht auch, dass  die „Bockreiter“ vier Jahrzehnte lang Land und Leute terrorisierten, die schrecklichsten Untaten und Morde begingen. Als die Bande endlich dingfest gemacht wurde, geriet sie in die Hände einer erbarmungslosen Justiz, deren Straf- und Foltermethoden grausam und brutal waren wie ‚die Tätigkeit des Räuberordens, den wir als die „Bockreiter“ kennen.


„Bockreiter“ plünderten das Pannhaus

Gefesselte Frauen schwammen im Bier

Herzogenrath   Wenige hundert Meter abseits der Straße Aachen - Roermond liegt in Pannesheide, dicht an der Grenze zu den Niederlanden, ein altes Gebäude. Im Volksmund das „Pannes“ genannt. Dort wurde früher eine Brauerei betrieben. Im Jahre 1741 gehörte es einem Mathias Kockelkorn, der neben dem Gewerbe des Bierbrauens auch Getreidehandel betrieb. Es war weit und breit bekannt, dass Kockelkorn zu den wohlhabenden Leuten des Heydener Landes gehörte. Schon mancher Spitzbube hatte vergebens versucht, an die Talerkästen des Brauers heranzukommen.

Foto: E. Hallmann; Pannhaus 2020

Vermummte Weibsleute

 So machte sich in einer stürmischen Nacht Anfang Oktober
 1741 die berüchtigte Bockreiterbande, unter Führung des Merten Vrohn, auf den Weg nach Pannesheide. Etwa 25 Banditen versammelten sich in der „Schlack“, einem Hohlweg, der von Blayerheide (Niederlande) direkt zum Pannhaus führte. Merten Vrohn, in der Bande auch „General von Seckendorf“ genannt, prüfte die Vollständigkeit der Bande. Anwesend neben seinem Unterkapitän Peter Muyters und dessen Ehefrau Fey (Sophia) Notermanns, waren auch das „Schwarze Tisgen“, die Gebrüder Vaeßen von der Veistlapp (eine alte Kohlengrube), als auch der Gewalttäter Andries Consten vom Kaffeeberg zu Chevrernont (Niederlande). Der Plan wurde noch einmal durchgesprochen und vier in Männerkleidung vermummte Weibsleute als Schildwachen aufgestellt. 

In den Bierkeller

Peter Muyters und Andries Consten, schlichen zur Rückwand der Scheune und brachen mit einer Eisenstange ein Loch, schlüpften hindurch und öffneten ihren in Verstecken wartenden Mitgesellen die Tür. Schnell drangen sie in das Haus ein und gingen an die erste Aufgabe, eventuellen Widerstand der Hausbewohner so schnell wie möglich zu brechen. Die Tochter des Hauses und das Dienstmädchen saßen noch in der Küche. Von den Geräuschen aufgeschreckt, wollten sie zum Kuhstall flüchten, wurden aber von zwei Räubern eingeholt und an den Harren zur Küche zurückgeschleppt. Gleichzeitig drangen sechs Missetäter darunter „et schwarze Tisgen“ und „Daem Paffen“ aus Kohlscheid, mittels einer Leiter in den Schlafsöller über den Pferdestall ein, wo die Fuhr- und Brauknechte schliefen. Diese wurden nach heftigem Ringen, wobei auch Blut floss, gefesselt, geschlagen und mit Füßen getreten. Man legte sie einzeln in gehöriger Entfernung voneinander auf eine Wiese. Die Tochter des Hausherrn und das Dienstmädchen warf man in den Bierkeller. Nun erst drangen die Einbrecher in das eigentliche Wohnhaus ein und der Hexensabbat der Plünderung begann.

Schwangere misshandelt 

Die Banditen drangen in das Schlafgemach des Mathias Kockelkorn und dessen Ehefrau, die zurzeit schwanger war, ein. Sie rissen die Frau aus dem Bett, fesselten und knebelten sie und warfen sie nackt in den Keller. Ebenfalls befanden sich noch drei Dienstmädchen und ein  Brauknecht im Haus; als der sah, wie seine Herrin misshandelt wurde, packte er einen der Eindringlinge und hätte ihn fast erwürgt, wäre dieser nicht von seinen Mitgesellen aus den Händen des kräftigen  Brauknechtes befreit worden.

Hausherrn gefoltert 

Die drei Dienstmädchen wurden ebenfalls in den Keller geworfen. Den Hausherrn ließ man im Schlafzimmer, fesselte, knebelte ihn und verband ihm die Augen. Er wurde in brutaler Weise geschlagen und getreten, um zu erfahren, wo er sein Geld aufbewahrte Nachdem die heftigsten Schläge und Fußtritte den Mathias Kockelkorn nicht dazu bringen konnten, das Versteck seines Geldes zu verraten, schritt Peter Muyters zu einer Sonderbehandlung. Mit brennenden Strohbündeln brachte er dem Hausherrn schmerzhafte, Brandwunden bei. Halb ohnmächtig vor Schmerz gab dieser nun endlich einen Schrank als Aufbewahrungsort seines Geldes an. 

Geld, Kleider, Zinngeräte 

 Groß war die Beute, die in die Hände der Räuber fiel. 400 Reichstaler in barem Geld, große Mengen Männer- und Frauenkleider, Leinen und Zinngeräte. Zahlreiche Säcke mit Roggen und Weizen wurden auf eine Karre geladen. Alles zusammen im Werte von 600 Talern, eine für die damalige Zeit sehr hohe Summe. Nachdem die Räuber im Bierkeller noch ein ausgedehntes Saufgelage veranstalteten und sich an den verängstigten Frauen ausließen, schlugen sie in ihrem Übermut die Holzpfropfen aus den Bierfässern, so dass die gefesselten Frauen förmlich im Bier schwammen. Schließlich suchten die Banditen das Weite und verteilten die Beute im Heydener Busch. 

Vor der Rechtbank konnte Mathias Kockelkorn keinen Missetäter mit Namen nennen, da sie alle maskiert waren. Erst 1743 wurde die Bande dingfest gemacht und für ihre Untaten zur Rechenschaft gezogen.

Zum Autor:
Albert Diederen, Jahrgang 1921, + 1975, beschäftigte sich intensiv mit der Geschichte der Bockreiter. Ihm standen in Form von Büchern und Archiven vielfältige Quellen zur Verfügung, wobei sich die Recherchen teilweise mühsam gestalteten. So arbeitete er unter anderem auch für den Geschichtskreis Rolduc. Er war stolz darauf, als Bäckermeister unter den anderen Mitgliedern dieses Kreises, der einzige Nichtakademiker zu sein.
Er begann nach den Kriegsjahren Wissen und alte Geschichten um Kohlscheid zu sammeln.


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