Bäckerei Conditorei Café Olers / Schaffrath



Bäckerei, Konditorei und Café Olers / Schaffrath

Einleitung

Der Kohlscheider Karl Schaffrath, Jahrgang 1948 stellte uns umfangreiches Bild- und Textmaterial zur Verfügung.

Seine Eltern August und Lene Schaffrath betrieben in der Weststraße eine Bäckerei und Konditorei mit Café. Das legendäre Café Olers (im Volksmund Ollers genannt). Wir bringen hier die interessantesten Geschichten dazu.

Einige Vorgeschichten - von Karl Schaffrath erzählt, finden Sie unter Lausbubengeschichten aus der Weststraße

Eine Bemerkung vorab:

Der Text und die Bilder sind nicht zum Kopieren oder Nachdrucken oder für anderweitige Bearbeitung freigegeben. 
Sämtliche Rechte der Speicherung, Nachnutzung sowie Verbreitung liegen bei den  Verfassern Karl Schaffrath und  Erich Hallmann.
Abbildungen entstammen, soweit nicht anders angegeben, den Sammlungen  K. Schaffrath und E. Hallmann und dem Kohlscheid-Archiv des Heimatvereins oder sie werden mit Zustimmung der Urheber verwandt. Wurden versehentlich die Rechte Dritter an einem Bild übersehen, bitten wir um Nachricht über Kontakte.


Überblick schafft eine kleine Historie 

Anton-Michael Olers *1843 in Borsheim/Belgien  und Ehefrau Sophia Olers geb. Schaffrath  *1843  in Kohlscheid, gründeten 1875 eine Bäckerei  in Straß Herzogenrath.
Der Sohn Josef Olers, *1880 und seine Ehefrau Anna Olers *1880    geb. Sauer verwitwete Ohlemüller  übernahmen 1900 bereits in Kohlscheid in der Weststr.6-8 eine Bäckerei.
1930 wurde das Café mit separatem Eingang und Obergeschoß gebaut. Aus dieser Zeit stammt auch die „Wiener Einrichtung“.
August Schaffrath, *1917  Vater von Herbert und Karl, war von 1931 - 1937 als Lehrling und Geselle bei Olers. Danach war er bis 1939 in Morsbach in der Bäckerei und Gastwirtschaft Haus Meehsen angestellt.August Schaffrath  (mittlereile Schwiegersohn) und Ehefrau Helene Schaffrath, geb. Ohlemüller, *1911, führten ab 1939 das Geschäft.
1953 Umbau der Geschäftsräume Weststraße 6
Der Sohn Herbert Schaffath, *1944 lernte das Handwerk und machte den Meister1966  in der „königlichen Hofkonditorei Julius Lauffs“ in Aachen. Danach arbeitete er in der elterlichen Bäckerei.Von 1986 bis 1994 führten er und seine Ehefrau Marlies Schaffrath, geb. Erkens, * 1942 den Betrieb.1994, Ein Nachfolger wurde nicht gefunden. Deshalb kam es zur Betriebsaufgabe.

Bäckerei seit 1900

Foto: Archiv Heimatverein Kohlscheid; bearbeitet von Karl Schaffrath

Das Bild oben wurde 1928 beim Beerdigungszug für Dr. Lamers aufgenommen. Es zeigt die damaligen Geschäfte auf der rechten Seite der oberen Weststraße. Die Markise gehörte zur Bäckerei Olers.

Annonce in Kohlscheider Lokalanzeiger 1927; Foto: Archiv Heimatverein Kohlscheid

Ednde der 1920er Jahre enstand dieses Foto. Stolz wurde der Backofen präsentiert.

mit Mütze der Konditormeister hinten und der Bäckermeister vorne, Frau Olers und Josef Olers mit Jacket; Foto (C) Sammlung Karl Schaffrath

mit Mützen - der Konditormeister hinten und der Bäckermeister vorne, Frau Olers und Josef Olers mit Jacket; Foto (C) Sammlung Karl Schaffrath



Cafe Olers auf zwei Etagen

Das Café Olers wurde im Jahr 1930 nach den Plänen des Architekten Karl Gibbels gebaut. Karl Gibbels war damals Mitglied der NSDAP und in den Folgejahren auch Bürgermeister von Kohlscheid.
Das Café hatte einen separaten Eingang. 14 Gäste konnten im Erdgeschoß und 50 im Obergeschoß Platz nehmen.
Prägend und auffallend war die „Wiener Einrichtung“.  Die Wandvertäfelungen, die Wiener Kaffeehausstühle und –Tische, sowie die sehr stilvollen Lampen versetzten die Gäste in eine andere Welt. Das ganze Ambiente, besonders die Treppe hieß die Gäste willkommen.
alternativ text

Treppenaufgang, Wiener Stuhl, Parkettboden und stilvolle Wandverkleidung, die im Laufe der Zeit sehr gedunkelt ist; Foto: Sammlung Karl Schaffrath, 1930er Jahre

Im Kohlscheider Lokalanzeiger 1930 wurde jetzt inseriert:
Olers Josef,  Conditorei und Cafe, Weststr.
Konditorei, Kaffee, Olers, bietet in seinen schönen und gemütlichen Räumen nur das Beste. Kuchen, Kaffee, Liköre, Weine
1956, Karte von Café Olers

(c) Sammlung Karl Schaffrath Hier fand man die Auswahl an Kuchen und Leckereien

(leider fehlt uns eine konkrete Angebotskarte.   Wer solch ein hat, bitte melden)
Das Hauptangebot waren die vielen Sorten an Gebäck, wie Torten, Kuchen und Kleingebäck.

Vorstellbar ist eine solche Angebotszusammenstellung :

Kaffee & Tee (Tasse, Kännchen)
Mokka, Normal-Kaffee
Eiskaffee mit Schlagsahne
Tee‑Varianten
Kakao frisch gemacht
Heiße Milch

Kuchen & Konditorwaren   
Schwarzwälder Kirschtorte, Sahne Nuss Torte, Obsttorte mit und ohne Sahne
Reisfladen, Aprikosenfladen

Gebäck-Spezial
Windbeutel, gefüllte Hörnchen, Biskuitrolle, Blechkuchen, Bienenstich, Plunderteilchen, Butterkuchen

Tagesempfehlungen
Frischer Apfelstrudel, Obsttörtchen, Stachelbeerfladen
(Zucker‑ und Fettgebäck; nur zur Karnevalszeit:)
Eisspezialitäten (Kinderportion, Drei Kugeln,vier Kugeln) Vanilleeis, Schokoladeneis,Erdbeereis

Kaltgetränke
Mineralwasser, Coca Cola, Citronenlimonade

Alkoholische Getränke
Piccolo (Fläschchen),
0.2 Wein (Riesling, Huxelrebe)
Bier Flasche
div. Spirituosen auf Nachfrage

Ab den 1960er Jahren waren dann auch belegte Brötchen und heiße Wurst mit Kartoffelsalat im Angebot.

Das Café hatte, wie eine Gaststätte, die volle Konzession für alkoholische Getränke, also Bier, Wein und Spirituosen.

Die Getränke wurden selbstverständlich in feinen Porzellantassen und –Kännchen serviert. Das Tafelgeschirr und Besteck war von erster Güte. 
Es gab allerdings keine Küche für das Café. So gab es in den ersten Jahren kein Frühstücksangebot. Das Café wurde deshalb auch nur selten für kleine Gesellschaftsfeiern genutzt. 

Cafe Olers, unten mit Thonet Möbeln und Jugendstillampe und Heizkörper; (C) Sammlung Karl Schaffrath

Wie selbstverständlich gab es eine Centralheizung und im Obergeschoß eine Toilettenanlage für Damen und Herren.

Das Café war an Wochentagen genau zu den Zeiten wie der Bäckereiladen geöffnet – von morgens 7:00h bis abends 18:30h.   Abweichend vom Laden hatte das Café jeden Tag geöffnet. Ab den 1950er Jahren gab es allerdings montags einen Ruhetag. (Wie das vorher war, konnte nicht ermittelt werden.)

Der Sonntag (nach derm Hochamt und am Nachmittag) und nachher der Freitag (nach dem Besuch des Wochenmarktes)  waren die umsatzstärksten Tage.

Das Café war in Kohlscheid einzigartig. Einige Bäcker versuchten mit einem kleinen Tisch und ein paar Stühlen die Idee zu kopieren. Der Erfolg aber blieb aus. Anmut und Atmosphäre waren nicht zu kopieren.

Fenster zur Weststraße hin

Obergeschoß; (C) Sammlung Karl Schaffrath

Obergeschoß; (C) Karl Schaffrath

Die schwierige Nazizeit

Der Bauherr Josef Olers und sein Nachfolger August Schaffrath waren nicht Mitglied in der NSDAP. Der Architekt Gibbels dagegen entwickelte sich zu einem glühenden Nazi. Dieser Konflikt war nicht immer einfach. So versuchte die Partei immer wieder das Café für ihre Zwecke einzuspannen. Belegt sind nur drei Termine:
  • "Die Gemeindeverwaltung und die nationalsozialistische Kriegsopfer­versorgung (NSKOV) la­den die Eltern der im Kriege gefallenen Söhne ins Café Olers (Weststraße) ein."(WB, 02.01.1934)
  • "Juni 1934 Dieser Tage trafen Ferienkinder aus Köln ein. Sie wurden am Bahnhof vom BDM, der HJ und der PO-Kapelle empfangen. Gemeinsam marschierte man zum Markt. Bevor die Kinder den Pflegeeltern übergeben wurden, erhielten sie im Café Olers, Weststraße, eine Stärkung." (WB)
  • "Die NS-Kriegsopferversorgung bereitet 60 Personen eine Weihnachts­feier im Café Olers (West­str. 6). Die Singschar des BDM und die Künstlerkapelle Gert Nießen wirken mit." (WB, 11.01.1935)
Allerdings: Gibbels forderte einen Stammtisch -  mit Hakenkreuz Fähnchen. Der Tisch und die Plätze im Erdgeschoß mussten zu bestimmten Zeiten freigehalten werden.

Die Bedeutung für Kohlscheid

Das Cafe war in allen seinen Zeiten ein wichtiger Teil des gesellschaftlichen Lebens in Kohlscheid.
Das Cafe wurde zu einer Zeit gebaut - ohne FS und Magazine wie Stern, Brigitte etc. Man traf sich im Cafe. Großes Vorbild war Aachen. Hier ging man regelmäßig zum Kaffeetrinken.  Die Atmosphäre im Café Olers gab das Gefühl in einer großen Stadt zu sein. Es gab in Kohlscheid sonst nichts, wo man hingehen konnte, wo man sich unter seinesgleichen treffen konnte. 
Die Besucher mussten einen gut gefüllten Geldbeutel haben. Die Frauen mussten entsprechend viel Freizeit haben und die Männer gehörten zu den Gutverdienern. Das Café lebte zum größten Teil in der Woche von Stammkundinnen und von Familien, die immer mit ihren Kindern am Wochenende zum Kaffetrinken kamen.
Zitat einer alten Bekannten:  „schönn, mäh et wor för de hütere Jesellschaff“  (Schön, aber das war für die höhere Gesellschaft.)
Aber Halt; es gibt eine zusätzliche Geschichte:
"1938 wurde auf dem erweiter­ten Gelände des ehemaligen Fußball­platzes in Rumpen eine Baracke gebaut. Sie war Unterkunft für ca. 560 „Arbeits­dienst­männer“, die hauptsächlich beim Bau des Westwalls eingesetzt.
Nicht nur die Kohlscheider Geschäftswelt sah die jun­gen Männer gern; denn die Ver­sorgungsgüter wurden in Kohlscheid gekauft. Auch die Mädchen knüp­fen zarte Bande. Man­cher Arbeitsdienstler fan­d in Kohl­scheid eine neue Heimat.
Vor­zugsweise suchten die Arbeits­dienst­ler sonntags die Gaststätten Harff, Südstraße, und die Ton­halle auf dem Markt (Paul Schillings) sowie das Cafe Olers, Weststraße, auf." Josef Aretz, Spuren der Vergangenheit

Das Café war aber auch Treffpunkt der Bäcker in Kohlscheid. Natürlich am Abend, außerhalb der Öffnungszeiten. Wir überlassen es der Phantasie, was dort besprochen wurde.


Das Aus aber nicht das Ende

1995 wurden die Café Einrichtungen und das Betriebsinventar zum Freilichtmuseum Kommern (FLMK) ausgelagert und zum Wideraufbau zur Verfügung gestellt.

Im Nachhinein kann man sagen, das Café Olers war eine sehr gelungene unternehmerische Leistung.

Es gibt aber noch weitere Informationen über den Komplex Bäckerei und Café Olers / Schaffrath zu berichten. 

Neubau 1954

Der Baumeister vom Amt sagte: „Schaffrath spätestens nächstes Jahr fällt das kleine Häuschen neben dem Café hier zusammen“.
Einige Decken waren schon mit Stempeln gestützt.  
Ein Onkel, Bruder von August, war Bauunternehmer. Er hat 1953 vorne an der Weststraße neugebaut. 1954 war der Bau fertig. Damit entfiel der Transport der Briketts durch das Haus. Es wurden 2 Keller Öffnungen gebaut, eine für Briketts für den Ofen und eine für Koks für die Heizung. Die Briketts wurden im Keller gelagert. Die Lehrlinge mussten die Briketts raufholen.

zwei Verkäuferinnen posieren während ihrer Pause in der Baustelle, der kleine Karl hilft beim Mauern; Foto: (C) Sammlung Karl Schaffrath

Während des Umbaus wurde der Weiterverkauf der Backwaren im unteren Bereich des Cafés durchgeführt. Die UNION Briketts wurden durch den Backstubenzugang mit einer Schubkarre in den Brikettbunker neben dem Backofen gefahren. Hierbei half Herr Königs-Leisten aus der Mühlenstraße.
Bei der Leerfahrt durften die Kinder in der Schubkarre mitfahren.

In der Schubkarre Karl Heinz Wirtz- Schuhhaus und Schusterei- und Karl Schaffrath; (C) Karl Schaffrath

 Viele Einzelheiten zum Neubau sind im Bericht "Ein Scheeter Lausbub aus der
Weststraße erzählt"  unter dem Kapitel "Neubau der Geschäftsräume Weststraße 6" zu finden.

Der Backofen

Wenn ich, Karl Schaffrath, nun vom Backen berichte, darf natürlich das Hauptinstrument einer Bäckerei nicht fehlen. Und das ist nun einmal der Backofen.
Bei unserem Ofen handelte es sich um einen Steinplattenofen der Firma Werner & Pfleiderer. Gebaut in den 1960iger Jahren. Zu seiner Zeit - der Mercedes unter den Backöfen.

Backofen von 1923

links Konditormeister Degraa aus Aachen dann Frau Anna Olers mit Ehemann Josef Olers, dann Lehrjunge Franz Frank aus Kohlscheid Bank und Bäckermeister Franz Zimmermann aus Kohlscheid Hoheneich, der den Ofen befüllt; (C) Sammlung Karl Schaffrath

Dieser Ofen hatte zwei Backebenen, betrieben bis 240 Grad.
Die Funktion des Ofens wie folgt:
In der jeweiligen Backebene befinden sich Steinplatten, unter diesen wiederum ein Rohrsystem gefüllt mit Wasser. Die Enden der Rohre kommen seitlich ca. 20 cm aus dem gemauerten Ofen in einem sogenannten Befeuerungskopf übereinander zusammen.
Zu sehen sind die Einschübe für die erste und zweite Backebene darüber drei Einschübe für die Backebene des Konditor Ofens.
Gerade wird Schwarzbrot in die untere Backebene eingeschossen.

1965 Konditorofen

1965, Konditiorofen mit Stufenaufgang; (C) Sammlung Karl Schaffrath

 seitlich über ein Podest zu erreichen war der sogenannte Konditorofen mit geringer Hitze.

2 Backkammern mit Steinplatten

Feuerungsanlage des Backofens der Firma Werner & Pfleiderer, 1923 ; C) Sammlung Karl Schaffrath

Die Feuerungskammer in dem der Befeuerungskopf  ist, wird mit Brikett geheizt.

Befeuerungskopf des Backoffen ,oben die Wasserköpfe die

Der Backofen und die Heizung wurden Anfang der 1980er Jahre umgestellt auf Öl. Der Jahresverbrauch lag bei ca.  6000 l für das Haus und für den Ofen. Der Ofen brauchte 11 l die Stunde.


Einige andere Betriebsmittel

Frigidair aus dem Jahr 1930

Frigidaire für Kuchen und Eis; Foto Bey; (C) Sammlung Karl Schaffrath

Frigidaire 1930; (C) Karl Schaffrath

Die Frigidaire aus dem Jahre 1930 im Hintergrund die Leuchte zum Cafeaufgang zu erkennen. ???????

Die Kühlung zur Ausstellung von Gebäck und Kuchen. Original bestückt aus 1930. Links in der  Mitte schön zu erkennen, die Eisbecher, die vorgekühlt zum Einsatz kamen.

Auf der Rückseite der Frigidaire im unteren Bereich die Kühlung für Getränke . Die Frigidaire war bis zur Geschäftsaufgabe 1994 in Gebrauch.  


Auf Bild 2 zu  erkennen, wie Josef Olers einen Eisbecher befüllt.  

Der Kaffee wurde in einem großen Filtertopf gemacht. Wie wurde er warmgehalten?

Kakao wurde frisch gemacht aus heißer Milch, die immer in Vorrat war.

Brot- und Zwiebackschneidemaschine 1930er; (C) Sammlung Karl Schaffrath

Anschlagemaschine aus den 1930er Jahren -Bäcker rühren mit Anschlagmaschinen luftige und leichte Teige zum Beispiel für Biskuit. Auch Sahne und Eiweiß werden mit diesen Maschinen steif geschlagen: (c) Sammlung Karl Schaffrath

Bäcker bei der Arbeit

Berlinerbacken

August Schaffrath macht Berliner; (C) Sammlung Karl Schaffrath

Herbert u. August in den 80igern

(c) Sammlung Karl Schaffrath Puffeln backen und Fläden machen

August Schaffrath und sein Geselle Wolfgang Seidler arbeiten an den in den 1950ern beliebten Sahnenusstorten; (C) Sammlung Karl Schaffrath

Alltag und Aufgaben des Bäckers


Der Tag Ab 14 Uhr war kein Betrieb mehr in der Backstube. Der Meister  hielt dann sein Mittagsschläfchen und danach wurden die Arbeiten erledigt, die nicht in der Backstube zu machen waren. In den frühen Abendstunden begann dann seine Nachtruhe. Er stand um 4:30 Uhr auf und der Betrieb fing um 5:00 Uhr an.
Der Vorrat für das Café brachte gerade am Wochenende immer eine Menge Arbeit.
Abbacken Nach dem Bau des Cafés, 1930 war in Weststraße 8 ein Zugang zur Backstube; das „Gängelchen“ genannt.
Über das Gängelchen (siehe 1930) kamen bis in die 60er Jahre noch viele Hausfrauen mit vorgefertigten Backwaren in die Backstube. Dort wurde dann "abgebacken" Diese Art und Weise des Abbackens war lange Zeit üblich. Es galt als Gefallen für „gute Kunden“ es gab nämlich keine Bezahlung.
Der Einkauf der Materialien war die Arbeit des jeweiligen Inhabers.
  • Seit jeher wurde das Mehl in den umliegenden Mühlen geordert. Vorzugsweise von Leuchter. Das ist die Ratsmühle hinter dem Tunnel in Laurensberg. Die Frau Leuchter war eine Schwester von Helene Ohlemülller.    
  • Die vielen anderen Zutaten kamen von den Großhändlern Jungen oder Handels -Michels, Nachher als beide ihr Geschäft aufgaben wurde beim „Bäckereinkauf“ gekauft.
  • Eier wurden von Otten aus Geilenkirchen geliefert.
  • Milch kam von dem Nachbarn in der Mühlenstraße, Milchmann Franz Schwartz.
  • Der große Obstbedarf wurde bei einem Heinsberger Händler und bei Verwandtschaft aus Holland, die hatten sehr  gute Äpfel, gedeckt. Alles wurde in Eigenarbeit verarbeitet, dabei halfen die Kinder mit. (Bei allen anderen Arbeiten in der Backstube durften die Kinder nicht mithelfen. Heute würde man sagen aus Hygienegründen, Sicherheitsgründen und Qualitätsgründen). Das Einkochen erfolgte in einem alten kupfernen Waschkessel. Zum Verschließen der vielen Einmachgläser hatte Gustav Schaffrath eine Verschlussmaschine angeschafft.
    In den letzten Jahren, war die Arbeit war nicht mehr zu bewältigen und zu bezahlen. Dann wurde auch auf Büchsenware zurückgegriffen.
  • Nach 1945 wurden die Getränke im Großhandel, z. B. bei Selgros gekauft. Die Würstchen und Schinkenwurst wurde auch bei Selgros eingekauft.
In den letzten Jahren gelang es immer besser dem Tagesbedarf entsprechend zu produzieren. Das was am Tag nicht verkauft wurde, kam in einen der vier großen Kühlschränke. In großen Mengen produziertes z.B. Plunder, kam portionsweise in die Gefriertruhe.
Hin und wieder kam es doch vor, dass etwas nicht mehr verkauft werden konnte. Das wurde einem Schweinehalter in der Mühlenstraße gegeben.
Ausfahren von Brötchen
Vor dem Krieg sagten die Leute: „der Olers ist der reichste Mann von Kohlscheid, der hat fünf verrostete Fahrräder“. Mir diesen Fahrrädern fuhren die Jungs die Brötchen aus.
 Nach dem Krieg. Wurden Brot und Brötchen nicht mehr ausgefahren. Kuchen wurde nur in Ausnahmen gebracht.
Der Personalstamm war die Familie und einige Angestellte. Zusätzliche Hilfen im Laden und im Café wurden im Bekanntenkreis, in der Kundschaft oder über Annoncen in den jeweiligen Zeitungen gefunden. Grundanforderungen waren Höflichkeit, Sauberkeit und das besondere Geschick bei der Arbeit, wie Räumen und Sortieren im Laden und Servieren im Café.
Ausgleich zur Arbeit fand Josef Olers bei zwei anspruchsvollen Hobbys.
Er gehörte 1903 bzw. 1906 zu den Gründern der „Brieftauben-Gesellschaft Columbia Klinkheide-Kohlscheid”. Während der Kriegszeit hatte er ca. 60 „Militärtauben“ (Was es damit auf sich hat, klären wir in einem Bericht zu den Taubenvereinen in Kohlscheid)
Seine andere Leidenschaft war das Kegeln. So gab es 1932 eine Meldung in der Zeitung:  „Der Bäckermeister Josef Olers, Sportkegler vom Kohlscheider Keglerverband (Gemütlichkeit 1925) errang in der Herbstsportwoche des Kölner Keglerverbandes das goldene Sportabzeichen mit 1.374 Holz bei 200 Wurf“.
Übrigens – in der Riege des Kegelverbandes war auch sein Bäckerkollege Jean Baggen.

Der Bäckerladen

Im geräumigen, ansprechenden Laden fühlten die Kunden sich wohl. Die Bedienung war kompetent und freundlich. Die Preise stimmten, die Qualität war hoch angesiedelt.

Bäckerladen Schaffrath, 1955; Foto(C) Sammlung K. Schaffrath

Bäckerladen Schaffrath, 1960, Verkaufstheke mit Registrierkasse; Foto:(C) Karl Schaffrath

Laden Schaffrath 1958, von links: Lene Schaffrath, Luise Lauscher, Kundin Frau Hirtz; Foto: (C) Karl Schaffrath

Die Registrierkasse, die lange ihren Dienst tat. Auch sie wurde dem Museum in Kommern übergeben; Foto: (C) Karl Schaffrath


Schlußbetrachtung

Der Standort war durch die Nähe zum Markt, also dem Mittelpunkt von Kohlscheid, sehr gut gewählt.
Die Bäckerei Schaffrath steht stellvertretend für den Wandel in der Geschäftsform wo Handwerk und Verkauf  in Kombination betrieben werden.
Von den vielen Bäckereien, die ab 1945 im Laden die eigen hergestellte Ware verkauften, ist nur noch eine in Kohlscheid tätig. Die in der vierten Generation geführte Bäckerei Baggen. Informationen  hier: http://www.baeckerei-baggen.de/portrait.html
Bei den Metzgereien sieht es genauso aus. 
Großbetriebe mit Filialen stellen die Versorgung sicher.
Aber die nächste große Veränderung bei Brot steht an. Die Supermärkte haben in ihren Filialen eine eigene Bäckerei. Tiefgefroren angelieferte Rohlinge werden aufgebacken oder wie es früher hieß „abgebacken“.

Was geblieben ist, ist der hervorragende Standort für eine Bäckerei in der Nähe vom Markt. Die Großbäckerei Nobis betriebt heute eine Filiale in der Weststraße 6.

Filiale Nobis; Foto: E. Hallmann



Quellen und Dank an:

Karl Schaffrath für Geschichten, gefertigte Texte und Fotos
Herbert Schaffrath  für Auskünfte und Geschichten
Einige alte Geschichtsfreunde, die nixcht namentlich genannt werden möchten.
Josef Aretz; Nachlass Spuren der Vergangenheit ab 1934
Archiv des Heimatvereins Kohlscheid für einige Bilder
Zeitung: „Westdeutscher Beobachter“


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