In den meisten Jahren ging alles reibungslos;
aber eben nicht immer
1932 - 05.09. JA:
Die Kohlscheider Liedertafel und der Gardeverein Kohlscheid haben am heutigen Kirmesmontag im Vereinslokal Gillessen einen gemeinsamen Familienball; eine so gute Ballmusik, wie die der Kapelle Schings-Hoenen hat man „kaum noch gehört”. Die Kirmestage verlaufen bei prachtvollem Wetter in schönster Ordnung. (Sammlung Sistemich, KoLok 02.09., 09.09.1932)
1932 - 05.09. JA:
Die Kirmes auf dem Marktplatz ist wieder bis zur Turnhalle dicht mit Schaustellungen besetzt. Von jeher übt sie eine große Anziehungskraft auf die Bevölkerung der näheren und weiteren Umgebung aus. Sie wird in diesem Jahre durch schönes Wetter begünstigt. Es kommen viele Besucher, vor allem auch aus den Niederlanden. Am Abend sind Tanz und Konzerte. Es kommt zu keinen Zwischenfällen. (WB, 01.09.und 04.09.1934)
1924, 09.09. JA:
Auf dem Markt kommt es heute, Kirmesdienstag, gegen 2.15 Uhr zu einem Auflauf, weil vor der Wirtschaft von Martin Eck (Südstr. 2) an einem Auto ein Reifen zerstochen wurde. Ein Nutzer des Fahrzeuges schlägt auf einen möglichen Zeugen ein. Der Polizeibeamte Dohmen will eine sich anbahnende Schlägerei verhindern, erhält aber seinerseits einen Schlag ab. Als Dohmen seine Mütze unter dem Wagen hervorholt, zieht einer der Fahrzeug- Nutzer einen Revolver, den dieser nach Aufforderung nicht aushändigen will und dann erheblichen Widerstand leistet. Der Beamte Bartz schlägt mit dem Gummiknüppel zu. Nun geben die zwei fremden Männer ihre Handfeuerwaffen ab. Weil die beiden belgische Zollbeamte in Zivil sind, sich als solche vorher aber nicht zu erkennen gaben, erhält der eine, der nicht betrunken ist, seinen Revolver sofort zurück; ihre Personalien werden nicht festgestellt. Die beiden Polizeibeamten, gegen die Anklage erhoben wurde, sprach das belgische Kriegsgericht am 25.10.1924 frei. (AKo 75)
1944, 13.09. JA:
Rückflutende Teile deutscher Etappentruppen, führerlose Gruppen sowie einzelne Soldaten passieren auf ihrer wilden Flucht zu Fuß, auf Fahrrädern, Motorrädern, PKW und LKW sowie auf Panzerspähwagen die Weststraße in Kohlscheid. Sie werden jedoch im rückwärtigen Gebiet von der Feldgendarmerie aufgefangen, entwaffnet, gesammelt und zu neuen Einheiten zusammengestellt ‑ dabei hat der Feind eben erst Brüssel eingenommen. Die Bevölkerung hat kein Vertrauen mehr in die eigene Armee.
Die Kirmes fällt in diesem Jahre aus, es regnet und stürmt. (Aretz, Herbst 1944)
Eng verbunden - die Kirmes und der Baggensplatz
Anneliese und Günter Baggen und der Bruder von Anneliese, Karl Schlebusch, erzählen über die Kirmes und die Schausteller
Die Kirmes vom Baggensplatz aus gesehen
GB: zu Kindheitszeiten - mittwochs kamen die Kirmesleute mit ihren Wohn- und Packwagen an. Gezogen wurde alles von Traktoren - Lanz Bulldog. Die wurden mit dem Schwengel angeworfen und die Zündung war ja ganz langsam und es tuckerte so typisch.
GB: Hinter Kemps Häuschen wurden drei Wohnwagen nebeneinander gestellt und einer quer, also vier Wohnwagen. Die Packwagen standen weiter weg. Die Wohnwagen standen also wie eine „Wagenburg“. Die Leute hatten keinen Wasseranschluß und keine Toilette. Das wurde alles mit Baggen abgewickelt. Unser Tor stand für die Leute den ganzen Tag und länger noch, offen.
Die Wagen wurden auf der Breit- oder auf der Längsseite ausgezogen, damit war der Wohnraum größer. Als Aufgang dienten breite Stufen. Wenn wir als Kinder uns auf die oberste Stufe setzen durften, das war für uns als, als wären wir in einer anderen Welt.
GB: Jahrelang stand bei uns die Familie Vonderbank. Die hatten ein Kettenkarussel und ein Kinderkarussel. Mit der Familie waren wir richtig befreundet. Wenn dr Juhann mich sooch, da woot ich bejrößt - datte mich net omarmet, en deuet, dat wor alles.
Frau Vonderbank stand bis ins hohe Alter noch auf der Annakirmes. Wenn wir mit den Kindern in Düren auf der Kirmes waren, und die Frau Vonderbank, uns von weitem sah, da schrie die ungehemmt: Güüünteer. Sie war Ur Öcherin. Das war ein schönes Gefühl; über die ganzen Jahre hinweg war man sich Freund.
Vor dem Wohlfahrtshaus, jetzt Hilgers, stand immer das Kettenkarussell, das Kinderkarussell stand zwischen Kemp Häuschen und Wirtschaft Eck.
Zwischen Kemp und Baggen stand die große Schiffschaukel, die Kleine vor Vankann. Die Schiffschaukel stand so nah bei uns, es war so eng; wir kamen gerade noch mit den Ausfahrautos in die Einfahrt.
Auf dem Schild unten rechts:
Warnung
Das Stehen auf den Sitzen in den Schiffen, sowie der Aufenthalt auf dem Podium während der Fahrt ist polizeilch verboten!
GB: Vor dem kleinen Häuschen stand der Glücksblinker, Frau Kohnen aus Richterich
Vor dem Laden in der Oststraße auf dem Bürgersteig stand auch so etwas Kleines. Bei uns gegenüber, vor dem E Häuschen, das war zu der Zeit als wir Kinder waren, do steng dr Riese. Die kamen aus Westfalen. Der Mann hieß nicht nur Riese, der war auch ein Riese.
Dat wor e Büdche, da wurden Bratwürste hergestellt und auf einem Grill gebraten. Große Fleischstücke hingen da offen, de Fleije drop en e su jet, dat spellet jeng Roll, Die Füllmasse wurde an Ort und Stelle hergestellt, also das Fleisch zerkleinert, gewürzt, gemengt und in die Därme gefüllt und dann gebraten. Die hatten damals schon große Grills.
Do stenge se Schlange. Das war genau gegenüber va os Köchefenster. Vöer kreäche de janze Schwaam af.
Dann ging das weiter die Straße runter. Neben dem E- Häuschen war das alte Pastorat. (bunter Windfang) Rechts von dem E-Häuschen war das Wohlfahrtshaus.
----
EH: Zu dem Verfahren zur Antriebs-Energie für das Karussell von Frau Vonderbank:
GB bestätigt die Schilderung. Er bestätigt auch die Aussage von Peter Loosen, dass mit dem Lanz Buldog Strom erzeugt wurde für die Autoscooter.
----
AB: 1956 hat auf dem Platz auch ein anders großes Karussell gestanden. Das Teufelsrad. Man musste in ein Zelt gehen. Innen gab es eine große Scheibe, ein Rad. Wir Kinder setzten uns dann oben in die Mitte. Die Scheibe fing an sich zu drehen. Auch wieder mit wachsender Geschwindigkeit. Wer als letzter auf dem Rad saß, der hatte eine Freifahrt.
KS: Als Attraktion kam dann von oben ein Faden mit einem Würstchen dran. Die Kinder schnappten alle danach und achteten nicht auf das Gleichgewicht.
AB: Dann hat da eine Bude gestanden mit einem stinkenden Ochsen als Attraktion. Der pinkelte und die Brühe lief über den Platz in die Gosse und bis zum nächsten Gulli. Das hat Tag und Nacht - also die ganze Zeit durch gestunken.
AB: Eine andere Attraktion war „Olga das Kuhmädchen“
KS: Draußen hatte die Olga sowas wie nen Sack an. Derjenige, der in die Vorstellung rein ging, erhoffte ja, etwas mehr von dieser Frau zu sehen. Aber meistens hieß es: draußen sieht man mehr als drinnen.
KS: Ja und die Boxbude – der Ausrufer draußen: „Wer unter den jungen Männern hat die Courage unserer deutschen Eiche Paroli zu bieten? Und da meldeten sich welche, wahrscheinlich war das abgekartete Sache. Innen war die Atmosphäre einer richtigen Boxarena. Ein richtiger Ring war aufgebaut und dann wurde gekämpft.
---
EH: Erinnerung an Peter N. (Name geändert) Der hatte sich auch mal gemeldet. Es hieß überall: Dr Pit hat sich för et Boxe jemeld. On de hat se dem jeschwamt.“ Nach dem Kampf, den Peter gewonnen hatte, wollte der Budenbesitzer ihm die ausgelobte Prämie nicht auszahlen. Peter nicht faul und versetzte ihn auch in den KO Zustand. Seine Frau hat dann schnell bezahlt
---
1950, 03.09. JA:
Für die heutige Herbstkirmes haben wieder viele Schausteller, u.a. eine Autorennbahn, ein Riesenrad und eine Raupenbahn, ihre Fahrgeschäfte aufgestellt. Die Budenzeile reicht vom Markt bis hinunter zur Turnhalle. Regen und Wind halten die Besucher nicht ab, die Kirmes zu besuchen. An allen drei Tagen herrscht reger Betrieb. Es wird allerdings bemängelt, dass es diesmal auf der Kirmes nur ein Schaugeschäft gibt, eine Boxbude, die aber immer ein ausverkauftes Haus hat. Auch wird darüber geklagt, dass zu viele Eßbuden aufgebaut sind. (AVZ, 02.09.1950)
AB: Auf der rechten Seite nach unten hin stand Bude an Bude bis zum Friedhof. Jede bot irgendwas zum Verkauf an. Gegenüber stand noch die alte Schule und davor stand der Raketenmann. Wir sagten dr Michel von der Raketenbahn. Zum Anlocken und Aufmerksam machen war auf dem Karussell eine Figur. Auf dem Kopf eine Mütze wie der Michel und um den Hals einen Schal, beides wehte im erzeugten Wind.
Das Karussell war eine große runde Platte. Da hingen Raketen dran. Die Platte drehte sich mit wachsender Geschwindigkeit. Durch die Zentrifugalkraft hoben die Raketen ab. Für das Gefühl zu fliegen, bezahlte man.
EH: war das vielleicht der Atom Rotor?
1950, 20.05. JA:
Der "Atom-Rotor", die Sensation aller Jahrmärkte, der im Regierungsbezirk erstmals bei der Kohlscheider Kirmes aufgebaut wird, ist bereits eingetroffen. (AVZ, 23.05.1950)
AB: Der „Kirmesplatz“ existierte damals noch nicht.
Als wir sieben acht Jahre alt waren, war Sonntag nach der 10 Uhr Messe der offizielle Beginn der Kirmes.
GB: nachher war Samstag Beginn
Wenn samstags die Kirmes anfing, dann konnte man vom Anfang am Markt bis zum Friedhof, über de Köpfe jehen.
AB: zum Ausspruch über de Köpfe jehen, als ich klein war, sind wir manches mal durch de Beine geschlichen um überhaupt weiter zu kommen.
---
EH; Offiziell begann die Kirmes am Sonntag nach dem Hochamt. Mit den Jahren hatte sich aber der Beginn auf Samstag Abend geschlichen.
Ende der 60er und Anfang der 70er dann kam am Samstag vor der Kirmes der "Mandele Leo". Zur Frühschoppenzeit "graste" er die Wirtschaften ab. Er trank ein Bier, verkaufte aber an die Frühschoppler “für die Damen zu Hause“ die ersten Tütchen mit gebrannten Mandeln. Er eröffnete sozusagen bei den „Herren“ die Kirmes.
Frühschoppen am Samstagmorgen war nicht nur in, nein er war sozusagen Pflicht. Hier wurden Informationen ausgetauscht und Geschäfte eingeleitet.
1949, 04.09. JA:
Die diesjährige Herbstkirmes hat eine Budenzeile, die wieder vom Markt bis zum Turnhallenplatz reicht, auf dem ein großes Tanzzelt steht. Am heutigen Sonntag ist der Besuch besonders stark. Tausende Gäste sind von auswärts gekommen. Am Abend muss die Straßenbahn den Verkehr nach Aachen und nach Herzogenrath verdoppeln.
(AVZ, 03.09. und 10.09.1949)
GB: Da kamen wirklich viele Holländer und Aachener hin. Do heschet et, die Öcher kome op Besöck, da krieje se wennestens e Stöck Flam.
---
EH: Der Besuch war nicht nur für die Bäcker und Kirmesunternehmer gut, sondern auch für die Kinder. Es wurde fleißg Kirmesgeld gesammelt.
---
GB: Wir haben zur Kirmes soviel Fläden in Auftrag bekommen, die konnten wir allein nicht herstellen.
Wir mussten noch samstags abends ausfahren. Um neun oder halb zehn noch einen knallvollen Wagen mit Fläden ausgefahren. Die Fläden waren bestellt und bezahlt, wir mussten nur abgeben. Wenn wir zum Markt hochfuhren ging das nur Schritt für Schritt, soviel Menschen waren schon unterwegs. Erst um 11, 12 Uhr nachts waren wir fertig.
AB: In den ersten Jahren nach dem Krieg kamen die Leute met et Obbs. Die Bäckere machete dr Deech on dat Flemche woet jebacke. Die Leute kamen die Fläden dann abholen. Das Gestell auf dem die Fläden nach Hause getragen wurden, war de Hooot. Horte auf Deutsch (Net et Hötche, kleines Hütchen).
GB: Und dem Gedächtnis nach, in den 50er Jahren kam eine Autorennbahn mit den Autos mit Benzinmotor. Ich glaube, die war vom Schausteller Loosen. Der hatte meinen Vater gefragt, ob sie sich auf dem Platz stellen konnten. Mein Vater hatte zugesagt. Das Ergebnis war, wir kamen nicht mit den Autos an die Einfahrt. So mussten wir die ganze Ware, die ausgefahren werden musste, bis weit in die Straße hinein transportieren. Auch bei der Wäscherei Bischoff standen die so nah, dass die auch die Wäsche weit transportieren mussten. Zu dem Gestank, der durch die Motörchen entstand, gab es keine Gedanken.
Zur Stromversorgung baute die Aseag eine Verteilstation auf. Das ging nicht reibungslos. Desöfteren fiel bei uns in der Backstube der Strom aus.
Diese Umstände nahmen wir damals - wie natürlich gegeben- in Kauf. Das wurde einfach akzeptiert, heute wäre das aus Sicherheitsgründen und Kostengründen gar nicht denkbar.
Dat wor esu!
Noch in den 70er Jahren wurden bei uns in der Oststraße die Fenster zugesetzt. Man kam kaum noch zwischen Hauswand und Budenrückseite. Mit Kinderwagen schon gar nicht. Wir wurden bei der Gemeinde vorstellig, es ist aber nicht viel bei rumgekommen.
Dat wor esu!
Haben Sie Informationen über Kohlscheid?
Wir freuen uns über Ihre Mithilfe.
Die Kirmes war Vorbild und weckte Begehrlichkeiten
Die Klinkheider, die Banker und die Kämpchener wollten die positive Wirkung auf die Bevölkerung auch in ihrem Ortsteil erleben. So wurden immer wieder mal eigene Kirmesfeste ausgerichtet. In Klinkheide waren unter anderem die Maijungen, in Bank die Pfarre und in Kämpchen der Kirchenbauverein und auch die Maijungen die Initiatoren. In Kämpchen veranstaltete sogar der Wirt Remy auf seiner Wiese die Kirmes.
1926, 07.07.
JA: Den Antrag der Wirte von Kohlscheid-Nord auf teilweise Verlegung des Kirmesmarktes nach Klinkheide hält die Finanzkommission rechtlich und praktisch nicht für durchführbar
1952, 18.05.
JA: Klinkheide feiert zum Wochenende erstmalig nach dem Kriege seine Dorfkirmes. Nach einer Kranzniederlegung am Klinkheider Ehrenmal besuchen die Maijungen mit ihren Maibräuten das Hochamt in St. Katharina, wo sie vom Trommler‑ und Pfeiferkorps Kohlscheid-Nord und dem Instrumentalverein abgeholt werden. Beim sich anschließenden Frühschoppen kann auch getanzt werden. Am Nachmittag ist bei herrlichem Wetter ein Festzug der Maijungen. Am Abend ist bei Goertz Maiball, zu dem auch Abordnungen der anderen Kohlscheider Maigruppen erscheinen. (AVZ, 17.05. und 22.05.1952)
1933, 27.08.
JA: Heute und morgen ist in Bank erstmals Kirmes. (Sammlung Sistemich, KoLok 18.08.1933)
1951, 26.05.
JA: Vom 26.05. bis zum 29.05. feiert man in Bank anläßlich der Hauptkirmes ein großes Volksfest. Nach einem Umzug ist im Festzelt ein Rheinischer Abend. (AVZ, 26.05.1951)
1949, 16.07.
JA: Das Rektorat Maria-Heimsuchung in Kämpchen veranstaltete sein erstes Wiesenfest. Das "Kirchbaufest" wurde als Kirmes ausgerichtet und fand eine über Erwarten große Beteiligung. Alle Vereine des Ortes beteiligten sich an der Durchführung. Die Maijungen führten ein Fußballspiel durch. Der Erlös dient dem geplanten Kirchbau. (AVZ)
1950, 22.07.
JA: Die Maijungen aus Kämpchen haben in der Baumschule an der Klosterstraße (An Kämpchen) ein Zelt aufgestellt; etliche Kirmesunternehmer sind mit ihren Wagen aufgefahren. Das Trommler‑ und Pfeiferkorps Vorwärts und der Orchesterverein begleiten die Maijungen bei ihrem heutigen Umzug. Die Orchestervereinigung spielt im Zelt beim Eröffnungsball; die Turngemeinde Bardenberg wartet mit Vorführungen auf. (AVZ, 22.07. und 27.07.1950)
Die Entwicklung über die Jahre
Die Entwicklung bei den Schaustellern ist unverkennbar. In den ersten Jahren nach dem Krieg wurde improvisiert und das erste Geld verdient. Die jahre danch wurde investiert und das Geschäft für die Kirmesbesucher besser, schöner und attraktiver zur "Schau gestellt". Als Beispiele sind hier die Mandelbrennerei Thenen und Imbiss Offermann/ Fuhrmann zu sehen.
Wir erinnern uns an die Worte vieler älterer Kohlscheider: „ ab den 70er Jahren nahm die Kirmes immer mehr ab“. Dieser schleichende Prozess ging bis in die 80er Jahre. Immer weniger Schausteller kamen, die Besucher aus den umliegenden Orten kamen nicht mehr. Die große Konkurrenz waren unter anderem die kostenlosen Konzert-Wochen in Aachen und die rasant zunehmenden Floh- und Handwerkermärkte und viele andere Konkurrenzveranstaltungen.
1986 dann besann man sich der alten Erfolge und kombinierte die Kirmes mit einem „Stadtfest“. Der Gewerbeverein zeichnete veratnwortlich. Die Öffnungszeiten für die Geschäfte am Wochenende wurden geändert. Wie wir wissen, hatten die Geschäfte während der Kirmestage auch damals immer schon länger auf. Das zog auch jetzt wieder.
Zeitungsmeldungen aus den 1980er Jahren
1986 3.9. Brücke; Vom 05. – 07. 07. 86 werden in Kohlscheid das 1. Stadtfest, Kirmes und Eröffnung des Wochenmarktes gefeiert.
1986 5.9. AN; Die Herbstkirmes in Kohlscheid soll wieder ein Volksfest wie früher vor 20 Jahren werden.
1986 10.9. AN; Am Sonntag , dem 7.9.86 feierte Kohlscheid mit 50.000 Besuchern sein erstes Stadtfest.
1986 21.5. Brücke; Die Kohlscheider Pfingstkirmes, die in diesem Jahr mit der 700-Jahr-Feier der St. Sebastiani-Schützen zusammen gefeiert wird, wurde 1831 schon urkundlich erwähnt.
1986 2.9. AVZ; Beim Stadtfest Kohlscheid am l. September Wochenende wird auch die Kohlscheider Herbstkirmes mit einbezogen und neu belebt.
1986 6.9. AVZ; Überwältigendes Echo auf das 3. Stadtfest Kohlscheid! 60.000 Besucher wurden geschätzt. Ganz Kohlscheid schien auf den Beinen zu sein. Beteiligt waren u.a. die Kohlscheider Vereine, die Geschäftswelt und sogar die Herzogenrather Partnerstadt Plerin.
Kirmes und die Gastronomie
Der Inbegriff der Kirmes waren die Buden und die großen Fahrgeschäfte. In den Jahren zwischen den 70ern und den 80ern änderte sich das. "In" war jetzt die Kirmesparty, der Open Air Ausschank bei Franz Josef Kempchen. Man ging die drei Tage zwar zur Kirmes meinte aber-
Wir treffen uns bei der Jupp
Ende der 70er Jahre versuchte Fr. Josef Kempchen für Kohlscheid etwas Neues, Zu den beiden Kirmesterminen im Jahr bot er den Gästen an, draußen im Stehen Bier zu trinken. Zum Anfang wurde ein improvisierter Bierstand aufgestellt. Im nächsten Jahr vom Bierverlag Lesmeister ein Krombacher Bierstand geliehen. Mit der Stadt wurden die notwendigen Genehmigungen geklärt. Es klappte – Es gab die Kirmesbesucher mit Durst. Sie gingen in die Gaststätten (Kempchen und Kiesling) hinein; kehrten sozusagen ein.
Viele, die mit ihren Frauen oder auch mit Kindern unterwegs waren, kehrten nicht ein. Sie nahmen ein oder zwei Bier - sozusagen im Vorübergehen beim Jupp.
Aus einem wurden mehrere Stände. Perfekt waren dann die eigens angefertigten, demontierbaren Bierstände jetzt auch mit Bitburger Pils im Ausschank. Tische und Stühle wurden aufgestellt. Mittlerweile wurde es zum geflügelten Wort: -An die Kermesdag treffe vör os bei der Jupp– Nicht die Kirmesbuden und Karussellen waren die Hauptattraktion, sondern der Treff draußen bei Kempchen. Es war so viel los, dass die Leute bis weit in der (abgesperrten) Straße standen. Das gefiel nicht jedem. Ab und an kamen beim Stadtrat anonyme Beschwerdeschreiben an. Die Stadt wusste aber um die Attraktivität des Bierstands und damit um die Aufwertung der Kirmes.
Und nicht nur zu den Kirmesterminen sondern auch von Ende Frühling bis weit in den Herbst hinein wurde draußen getrunken und gegessen. Letztendlich wurde 1980 eine flexible Überdachung am Haus angebracht. So konnten die Gäste bei jedem Wetter draußen sitzen.
Scheeter Kirmes - bei den Schaustellern und Beschickern sehr beliebt.
Für die Familien der Schausteller ist die Kirmessaison ein ständiges "Neu Ankommen". Wie wir von GB gehört haben wurde die Wagenburg als Rückzugsort aufgebaut. Die lebensnotwendigen Dinge: Wasser, Strom, Toilette, Schulbesuch für die Kinder etc. mußten geregelt werden. Die Familien waren auf eine einvernehmliche Nachbarschaft mit der Bevölkerung angewiesen. Bei der anliegenden Bevölkerung war klar, hier müssen wir zusammenhalten. Gute Kompromisse waren immer die Lösung für alle Konflikte. Über die Jahre entwickelten sich richtige Freundschaften. GB berichtete drüber. Auch der Schausteller Hans Bert Cremer (HBC), heute für den "Verband reisender Schausteller, VRS, Düren" tätig, bestätigt das.
HBC: Die Kohlscheider Kirmes hatte, wie die meisten Volksfeste in früherer Zeit, eine große Bedeutung für den Ort aber auch für die angrenzende Region. Auch die weiter wohnende Verwandtschaft pflegte zur Kirmes einen Besuch im Heimatort zu machen.
Die Familie meiner Schwiegermutter Thenen beschickte schon weit vor dem Zweiten Weltkrieg die Kohlscheider Kirmes mit ihrer Mandelbrennerei. Sie erzählten immer von der langgestreckten Kirmes, die sich früher durch ganz Kohlscheid zog. Ungewöhnlich lang, vom Markt bis zur Turnhalle.
Die Großtante Magda Schramm geb.Thenen, war jahrelang mit ihrem Imbiss in Kohlscheid vertreten. Ihr altes Rechnungsbuch belegt: 1960 betrug das Standgeld 47,60 DM.
Wir, meine Eltern und später ich selber, haben die Kohlscheider Kirmes erst recht spät, seit den frühen 1980er Jahren mit unserem Kinderkarussell besucht.
Der Standplatz war immer neben dem Imbissgeschäft der Aachener Schaustellerfamilie Fuhrmann auf dem kleinen Platz neben der Bäckerei Baggen.
In diesen Jahren hatten wir ein sehr gutes und freundschaftliches Verhältnis zu den Anwohnern; insbesondere zu der Bäckerfamilie Baggen aber auch zu weiteren Familien, die in der Nähe wohnten.
In früheren Zeiten war dies noch weit ausgeprägter. Für den Wohnwagen mussten wir bei der Nachbarschaft auf Zeit Wasser holen. Nicht selten brachte man uns ein Stück vom Kirmeskuchen.
Die Schausteller honorierten das natürlich mit Freifahrten für die Kinder der Anwohner. So zog sich nicht selten ein freundschaftliches Band über Generationen.
Es handelte sich um eine sehr gute Veranstaltung, die dann auch die namhaften Schaustellerbetriebe aus dem nahen Aachen anzog.
Die Menschenmassen, welche die Kohlscheider Pfingskirmes noch in den 1950er und 1960er Jahren anzog, sind heute nicht mehr vorstellbar.
Wir haben die Kohlscheider Kirmes sehr gerne besucht. Wir fühlten uns mit den Menschen verbunden, noch heute kommen uns viele Kohlscheider auf anderen Kirmesplätzen besuchen.
Leider zeigte sich die Stadtverwaltung Herzogenrath später (ca.2010) nicht mehr kooperativ. Sie ging nicht auf Änderungs- und Verbesserungsvorschläge der Beschicker ein. und so kamen wir und viele der alten Schausteller nicht mehr nach Kohlscheid. Nun, so ist auch die Kirmes nicht mehr das ist, was sie einst war.
Schöne Grüße an die Kohlscheider, besonders an die Familien, die unsere "Nachbarn" waren.
Danke noch mal, es war eine schöne Zeit
Hans Bert Cremer
EH: Kohlscheid und seine Kirmes hatten nicht nur bei der Bevölkerung im Ort und Umgebung einen stattlichen Ruf. Wie wir sehen, haben wir Kohlscheider bei den Schaustellern einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Insbesondere die "Anrainer" der Kirmes und die geldausgebenden Besucher. Sie haben Kohlscheid durch ihre faire Art gut vertreten. Bereits 1927 wußten die Schausteller das zu schätzen.
1927, 09.09.
JA: Die „Insassen der Pöttgensstiftung“ (Altersheim) bedanken sich mit einer Zeitungsanzeige bei den „Kirmes-Ausstellern für die schöne Sammlung zu Gunsten der alten Leute und der Waisenkinder der Pöttgensstiftung“. (Sammlung Sistemich: KoLok 09.09.27)
Danke, Danke, Danke
Mein Dank gilt allen Akteuren:
Familie Baggen und Familie Martinelli,
Gerd Gillessen, Lieselotte Mirbach, Josef Kempchen,
der alten Kohlscheiderin, die nicht genannt werden möchte,
Hans Bert Cremer und dem Verband reisender Schausteller für die alten Kirmesbilder
Karl Schlebusch, der wertvolle Tips gab,
Marianne Schülke, die mit Geduld den Text redigiert hat
und im Nachhinein Josef Aretz und den vielen anderen,
meinem Sohn und seiner Frau, die mit Geduld immer wieder auf Google hinwiesen, zum Lernen. Und gemeinsam haben wir die Website erstellt.
Danke an Sie, liebe Leserinnen und Leser. Sie sind mit Ausdauer der Kirmes nachgegangen; von der Kirche, die Oststraße hinunter bis zur Turnhalle. Wenn es Spaß gmacht hat, dann leiten Sie die Seite weiter, abonnieren Sie den Newsletter, kommentieren Sie wohlwollend.
Am meisten freut mich, wenn Sie mit mir weitere alte Geschichten neu aufleben lassen. Kontaktieren Sie mich. Wir machen was zusammen!
Schöner Beitrag.
Lieber Erich, es ist schön, dass es Menschen wie dich gibt, die dafür sorgen, dass wertvolles Kulturgut nicht verloren geht. Dankeschön.
Wenn ihr jemanden sucht, der im Alltag Platt spricht, empfehle ich Josef Paffen.