“Die Maiandacht” 15 mal auf Platt




"Die Maiandacht" 15 mal auf Platt

Das Verzällchen

Das Bild oben zeigt einen typischen Marienaltar, der bis in die 1960er in Wohnungen katholischer Familien im Mai aufgebaut wurde.
Im Mai vor einigen Jahren erinnerte ich mich an das Marienaltärchen zu Hause.
Und an die Zeit als Meßdiener und an die Maiandacht. Aufgeschrieben habe ich das als "Die Maiandacht". Hier ganz zu lesen

Etwas zu Meßdiener

Hier bin ich 1953 in "Kirchenkleidung"

So etwas, wie Rock und Überwurf hatten damals viele Jungens. Dazu gehörte auch noch ein Altar, ein aufstellbares Kreuz, eine Monstranz, ein Gebetbuch, ein Kissen zum Draufknien und einige andere Kleinigkeiten. Die Sachen kauften wir bei Frau Fleu auf dem Markt oder in Kevelaer. Das alles gehörte zu einem Spiel. Das Spiel hieß:  Wir probieren Messe und Andacht.  Eines Tages kam dann der Ernst. Die Einführung in die Meßdienerschaft. Meßdiener zu sein, bedeutete zu dienen, also das zu tun, was der Obermeßdiener sagte und vormachte. Es galt aber auch, sich am Altar zu zeigen und zu bewegen und ganz neu: Termine einzuhalten. 
Zum Messe-Dienen waren natürlich ansehnlichere Gewänder in der Sakristei zur Verfügung. 
Die unangenehmste Pflicht für uns Meßdiener war die Maiandacht. Dazu habe ich, Erich Hallmann, ein kleines Verzällchen geschrieben:  
  "Die Maiandacht"

Etwas zur Maiandacht allgemein und in Kohlscheid

Dr. J. Schiffers schreibt im April 1931 im Westdeutschen Beobachter:
"Als alte Maibräuche zu schwinden begannen, wurde in unserer Heimat ein anderer Maibrauch üblich, nämlich die Maiandacht zu Ehren der Muttergottes als der Maienkönigin. Aus Italien, wo die marianische Maifeier während des 18. Jahrhunderts aufkam und erst nach 1800 allgemeiner wurde, ist sie erst im Jahre 1842 auf Umwegen über Belgien auch nach Aachen gekommen. In dem zur elterlichen Wohnung der Clara Fey, der Stifterin der Genossenschaft der Schwestern vom armen Kinde Jesus, gehörigen Gartenhause an der Bendelstraße, das der damalige Kaplan Wilhelm Sartorius, der nachmalige Burtscheider Oberpfarrer, zu einer Armenküche hergerichtet hatte, scharte er seit dem 1. Mai 1842 allabendlich die Armen um den mit Blumen und Kerzen geschmückten Marienaltar; das war die erste Maiandacht, die wohl auf deutschem Boden stattfand. 
Alsbald nahm man diese Andachtsübung auch in den Aachener Pfarrkirchen auf und verpflanzte sie weit und breit auch auswärts, sodaß die Maiandacht schnell sich zu einer der volkstümlichsten Einrichtungen der Kirche entwickeln konnte."
Weitere Informationen:
Die-Geschichte der-Maiandacht
und
Marienbrauchtum im Mai (Wikipedia)
Ruth Brauers schreibt in Ihrem Aufsatz -Johann Jacob Michel- ein Kind seiner Zeit-:
"Johann Jakob Michel war von 1862 bis zum 1886 beinahe 24 Jahre Pastor in Kohlscheid. Er sorgte sich mit unermüdlichem Eifer um die Verbesserung der geistlichen Angebote für seine Gemeinde. So fanden ab dem 03.05.1863 regelmäßig Maiandachten statt, die erste zur Einweihung der neuen Muttergottesstatue, die auch heute noch im Seitenschiff des Altarraumes steht."  Zum vollständigen Aufsatz 
Seit der Umstrukturierung der Pfarren zu -Christus unser Friede- finden Maiandachten nur noch in den Kirchen mit dem Bezug zu Maria zweimal wöchentlich statt. Also in Kämpchen Maria Heimsuchung und Bank Maria Verkündung


Die Idee:  
Das Verzällchen in mehreren Versionen sprechen zu lassen

Platt schreiben und lesen sind schwierig
Deshalb meine Idee:
Der Text soll von Könnern in Platt gesprochen und auf Tonträger konserviert werden. Damit können die einzelnen Mundarten verglichen werden. Für die Sprachaufzeichnungen ist WhatsApp gut.
Der Text kann als persönliches Erlebnis oder als Geschichte über einen kleinen Jungen erzählt werden. Dabei sind Variationen in Sachen Humor, Dramatik und Schlussfolgerung nicht nur möglich, sondern sogar erwünscht. Die Würze sind dabei lokal typische Ausdrücke.
Die bisherigen Mitstreiter sprachen ihre eigene Version, aber so, wie sie es zu sprechen gewohnt sind, eben im ortsüblichen Platt.
Später einmal können die Unterschiede  durch Vergleich festgestellt und vielleicht aufgelistet werden.
Gesagt, getan -
ich fand fünfzehn Mitstreiter, die bereit waren, das Experiment mit zu machen.

Einige Worte zu den mutigen Mitstreitern

Alle haben in ihrer Kindheit zu Hause Platt gesprochen. MIt der Schul- bzw. Berufsausbildung dann nur noch im Freundeskreis. Und so haben manche nur noch Hin und Wieder mal Platt gesprochen, andere gar nicht mehr.
Bei unseren niederländischen Freundinnen ist das anders. Sie sprechen heute noch bewußt in ihren Familen mit ihren Kindern Platt.
Als Kind sind sie vielsprachig aufgewachsen Zuhause wurde Platt gesprochen, in der Schule Niederländisch und im Fernsehen gab es die Sendungen auf Deutsch, Englisch und Französich, alle nur mit Untertitel. So sind für sie Klang und Eigenheiten mehrerer Sprachen von Kind an nichts Ungewöhnliches.
Für alle war die Aufgabe neu. Einige haben ein wenig überlegt, ob sie das machen sollen. Sie haben sich dann doch entschieden und einige Arbeit für die Übersetztung aufgewandt. Ausdrücke und Redewendungen mußten wieder ins Gedächtnis gerufen werden. Andere haben spontan gesprochen. Beide Vorgehensweisen sind gut und richtig. 

Herbert Franssen, Martina Spitz, Klaus Kuckelkorn und Paci Dassen sind Jugend- und Arbeitsfreunde. Sie waren sofort bereit, denn sie sind an meine ausgefallenen Ideen gewöhnt.
Frau Babelsmann, Lilian Timmermans - Niessen, und Egbert Holfeld sind gute Bekannte, bei denen ich richtig vermutete, dass Sie mitmachen würden.
Ralf Büter, war jahrelang Mitglied des Ensembles für Aufführungen auf Öcher Platt . Vor seinem Mitwirken in Aachen musste er von Scheeter Platt „umlernen“ auf Öcher Platt. Ihn reizte das Verzällchen sehr.
Frau Franssen lernte ich per Zufall kennen. Mittlerweile hat sie mir einiges über das Leben in Pannesheide erzählt. Sie überzeugte Ihren Sohn, bei der Technik zu helfen. Das war sehr gut.
Rolf Wilden und Hubert Pastor sind "Urgesteine" der Heimatpflege. Beide wirken in ihren Heimatvereinen, Roetgen und Bardenberg seit Jahren mit Erfolg. Beide haben zahlreiche Aufsätze zur Historie ihrer Gemeinde geschrieben und veröffentlicht. Ihre Arbeit ist wertvoll und vorbildlich. Natürlich wissen sie, wie es um die Erhaltung der Mundart steht. Wie selbstverständlich machten sie mit. Hubert Pastor gab die Aufgabe sogar ohne mein Zutun umgehend an seinen Freund Hans von Reth weiter. Für ihn gilt das selbe wir für die beiden. Auch er arbeitet seit vielen Jahren ehrenamtlich in seinem Eschweiler Geschichtsverein.
Näheres zu den Dreien finden Sie hier: Rolf Wilden,   Hubert Pastor,  Hans von Reth 

Franz Josef Saager lernte ich über seine Bücher kennen , die er erst mit 69 Jahren anfing, zu schreiben. Als ich von seinen Mitgängen bei zahlreichen Karnevalszügen hörte, wußte ich, der Mann spricht astrein Platt. Durch seine Lesungen für seine Bücher ist er gewohnt zu sprechen.  (Näheres zu F.J. Saager finden Sie hier )
Johannes Gatzen lernte ich bei einer Reise als Tischnachbar kennen. Nach kurzer Zeit fanden wir heraus, dass Platt-Sprechen für uns beide nicht fies ist, sondern dass wir gerne und mit Überzeugung Platt sprechen. (Lohn wurde von der RWE 1983 abgerissen. Vorher wurden die Einwohner umgesiedelt in den neuen Ort Neu- Lohn.)

Heinz Brendt ist vielen bekannt. Er veröffentlichte über 200 Mundart-Gedichte in Zeitungen und Bröschüren. Er beschäftigt sich ausserdem mit Mundart Ausdrücken aus dem Bereichen Lebensmittel sowie Kochen und Küche. Darüber hatten wir zuerst Kontakt. Spontan sagte er die Mitwirkung bei dem Experiment "Maiandacht" auf Platt zu.  

Ohne die 15 Akteure, wäre das Experiment gescheitert. Sie haben verstanden, dass ihr Beitrag ein wichtiger Beitrag für die Erhaltung der Mundart ist. 
Herzlichen Dank an jeden einzelnen für die Zeit, die Arbeit, die Geduld und den Mut, ihr Platt auf diese Art zu präsentieren.

Danke  


Hinweise zum Hören

Bei der Sammlung handelt es sich nicht um einen Wettbewerb, es gibt keine Wertung z.B. wer ist der / die beste "Hörbuchleser*in".
Es ist eine Sammlung von Sprachaufzeichnungen. Selbst wenn Pausen, Haspler vorkommen, das Wichtigste sind der Klang, die einzelnen Worte und die Redewendungen. Natürlich werden Sie bei lustigen Variationen des Erzählens auch ans Schmunzeln kommen. 
Nehmen Sie sich Zeit und Muße. Hören Sie vielleicht das eine oder andere merhmals. Wenn Sie sich nur zwei, drei Ausdrücke aussuchen und diese dann vergleichen, dann haben Sie schnell eine Reihe von Unterschieden gefunden. 
Für Neulinge auf dem Gebiet -Platt-  wird es besonders interessant. Sie können anhand des deutschen Textes verstehen lernen. Platt lernen ist nicht unmöglich, das belegt ja Ralf Büter, der als Kohlscheider Öcher Platt gelernt hat und heute aus dem Effeff beherrscht.
Viel Spaß beim Hören
Wie wäre es, wenn Sie selbst einmal den Text probieren?

Folgende Versionen liegen vor:

aus dem Kohlscheider Bereich:
und aus der näheren Umgebung:
von unseren Freundinnen aus "Holland":
und von etwas weiter weg:
Für die Anreicherung der Sammlung wären Versionen aus Alsorf, Baesweiler, Monschau, Geilenkirchen Heinsberg etc. richtig gut. Ich werde weiter daran arbeiten. Möchten Sie dabei helfen, wichtiges Zeitmaterial für kommende Generationen zu sammeln. Der Heimatverein Kohlscheid wird dieses Material in das Archiv aufnehmen und pflegen.

Erste Analyse

Die größte Gemeinsamkeit ist bei dem Wort für Ärmel zu finden, nämlich dr Mau-  

Die Ausdrücke für "draussen" und " an der Hecke" sind auch spannend. Und "die Glocken läuten", jetzt muß ich aber aufhören. Sie werden ja selbst vieles finden. Viel Spaß


Dank  

-natürlich an die 15 Akteure und an alle, die jeweils im Hintergrund geholfen haben
- an Heinz Maas, der den gesamten Text auf Fehler kontrollierte
- an Ina Voss für die Beschaffung einiger Requisiten für das Foto - Maialtar-.

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Die Maiandacht

1957, ich bin neun Jahre und Messdiener. Es ist Mai. Wir spielen nach den Aufgaben immer draußen. An der Hecke – im Dreck - mit den Autöschen. Die Nase läuft. Kurz mit dem Ärmel abgezogen bis zum Ende des Zeigefingers. Die jetzt nassen Stellen an der Hand im Gesicht trocken gerieben.

Es ist Mai. Der Goldlack, von dem meine Oma so schwärmt blüht im Garten und auf den freien Flächen mit Gras sind die weißen Sternchen auf den dünnen kerzengraden Stängelchen (Sternmiere).

Die Glocken läuten. In wenigen Minuten muss ich da sein. Neben der Kirche hängt in dem Kasten der Plan. Daher weiß ich, wann ich Dienen muss.

Rein in die Sakristei mit den „Röckeln“, den passenden roten Talar an und zugeknöpft. Die  Nase läuft, dieselbe Tour mit dem Ärmel. Aber mit den feuchten  Fingern das weiße Hemd am unteren Rand angefasst und über den Kopf geworfen. Jetzt schnell hinter dem Altar, am Glockenraum vorbei, wo das Seil noch nicht zur Ruhe gekommen ist, zur Sakristei, wo Pastor sich umzieht.

Der dreht sich um und noch nie hat der mich so lange angeguckt, wenn er Guten Tag sagt. Der wurde rot im Gesicht. Leise brüllt der: „Wie siehst du denn aus?“ Leise, weil laut geht nicht, die Türe zum Altar steht ja auf und in der Kirche sitzen die von der Jungfrauenkongregation für die Maiandacht. Ich weiß nicht, was der meint.

Heute weiß ich, Pflicht ist Pflicht aber Achtung wenn Dreckigkeiten im Spiel sind.

De Meiandacht

Nünzenghondertsevenenfoffzich, ich be nüng Johr oht. Et es Mei. Wör speele no de Aufjabe ömmer va busse. An de Heck – en dr Dreck – met de Autöscher. De Nas es ant loofe. Kott met dr Mau afjetrocke – bes annet End van der Wiesfenger. Die nu föschte Stellens an de Hank enet Jesech drüsch jereefe.

Et es Mei. Dr Jouldlack, wova de Oma esu schwermt, es en der Jaad ant blöie on op die freei Pladsche met Jras, sönd die wisse Steercher op die schraare, käzejrade Stengelscher.

De Jlocke lue. En e paar Menütte moß ich do se. Näver de Kerch hängt e dr Kaste dr Plan. Dova weeß ich, wann ich dänge moß.

En de Sakristäei, met die Röckele, ere, de passende rue Talaach a, en zoeh jeknööf t. De Naas es annet loofe on dat selbe noch ens met de Mau. En nu met die fööschte Fengere dat wiss Hemsche onge angepackt en över dr Kopp jeworpe. Nu flott hänger dr Altar,

langs de Jlocke wo et Seel noch annet bumele es, wier no de Sakristei, wo Pastuur sich ömtröckt.

De drient sich ömm en noch nie hat de mi e su lang angekickt, wenn e jröße deht. De wot rue enet Jesesch. Hä bröllet:  „wie siehst du denn aus?“  Ever leis, laut jeng jo net, de Döör no dr Altar stong op, on do sousse de Jöngferscher van de  Kongjreaziun för de Meiandacht.

Ich weeß net watt de meenet.
Hü weeß ich: wenn de jet jesaat has, da motz de et och maache, evel paas op, wenn net alles sauber lööft.

Quellen :

- Sistemich; Sammlung Brauchtum
- Westdeutscher Beobachter; April 1931
- Ruth Brauers: "-Johann Jacob Michel- ein Kind seiner Zeit-" 


  • Hallo Erich, toll, einfach nur klasse 👍🏻 Aber erst einmal ein dickes Lob an all meine Mitstreiter. Jeder auf seine Art und Weise war super und es ist interessant und spannend, die „Maiandacht“ in den jeweiligen Dialekt zu hören. Wahnsinn was für Unterschiede es da gibt. Bei mir kommen dabei natürlich sehr sehr schöne Erinnerungen hoch da ich über 20 Jahre Meßdiener in St.Katharina war, 38 Jahre nach Kevelaer gepilgert bin, die Mundart….also das Platt liebe und natürlich nicht zu vergessen – den Karneval feiern wie er früher einmal war, indem ich schon fast ewig bei den Clowns vom Baggensplatz bin. Aber das alles nur am Rande. Es war mir eine Ehre mit zu machen. Die Seite mit den Berichten, Bildern, Liedern usw.ist sehr schön und interessant. Bitte mache weiter so, damit die gute alte Zeit und unsere Muttersprache, unser geliebtes „Platt“ nicht in Vergessenheit gerät. Danke dass ich dabei sein durfte. Liebe Grüße, bis bald mal wieder, Ralf 😉

  • Sehr gerne habe ich die Maiandacht in ‘meinem’ Völser Platt erzählt. Es hat viel Spaß gemacht und interessant nachher die verschiedenen Platt Arten zu hören. Zu schade, dass die Jugend in Deutschland nur noch selten Platt spricht. Bei uns wird noch viel Platt gesprochen und vom Heimatverein auch in den Schulen vorgestellt.

    Erich Hallmann, Vielen Dank für Deine tolle Arbeit und weiterhin viel Erfolg und Spaß bei der Arbeit für die Geschichtsfreunde.
    Lieben Gruß aus Vaals
    Patricia Dassen

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